Der Rikschamann
dass sich Oleg bald wieder meldet. Oder dass die Polizei ihn findet. Oder ich!«
Der Professor nippte nachdenklich an seinem Kaffee. »Egal, wie es weitergeht, Max: Halte Elke da raus! Ihre Mutter macht Kleinholz aus mir. Aus dir übrigens auch, wenn du nicht aufpasst.«
»Ich wollte sie ja gar nicht dabei haben. Sie ist mir einfach gefolgt und stand plötzlich im Hirschpark…«
»Ich will übrigens auch nicht, dass Elke etwas zustößt. Das musst du ihr aber nicht verraten. Sonst werde ich sie überhaupt nicht mehr los. Du hältst Elke da heraus! Versprochen, Max?«
»Okay.«
»Du solltest dir auch gut überlegen, ob du tatsächlich deinen Freund auf eigene Faust suchen willst. Es ist offensichtlich, dass Oleg auf irgendeine Art in diesen schrecklichen Mord verwickelt ist. Wahrscheinlich ist die Bezeichnung längst aus der Mode, aber Typen wie Oleg haben wir früher ›Windhund‹ genannt. Der bringt dich bloß in Schwierigkeiten.«
»Die Bezeichnung ›Kameradenschwein‹ ist auch nicht mehr modern!« begehrte Max auf. »Trotzdem würde ich mich so fühlen, wenn ich jetzt den Dingen einfach ihren Lauf ließe.«
»Das ehrt dich. Aber schlau ist es nicht.«
»Ich habe nie behauptet, besonders intelligent zu sein.«
»Mir würde schon reichen, wenn du erkennst, dass du es bist.«
Max stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Vielen Dank für den Kaffee. Und für den gut gemeinten Ratschlag. Aber ich muss jetzt los.«
Straschitz blieb sitzen und rührte nachdenklich in seinem Becher, ohne den Kopf zu heben. »Wo die Tür ist, weißt du ja – so gut, wie du dich hier auskennst. Und mit Elke redest du am Besten erst mal nicht mehr…«
Wortlos verließ Max die Küche. Zwischen zwei Regalen im Flur entdeckte er seine Tasche mit den Gummistiefeln und den schmutzigen Nikolaifleet-Klamotten, die würde er gleich mitnehmen. Als er sich danach bückte, fiel sein Blick auf ein ausgedientes Marmeladenglas im Regal, ein Glas mit Kleingeldwährung aus aller Herren Länder. Ganz oben lag eine bundesdeutsche Zehnpfennig-Münze. Ein Groschen aus D-Mark-Zeiten. Max folgte einer Eingebung, nahm das Geldstück und schlich sich in Elkes Zimmer.
Das Mädchen lag noch immer offenen Mundes schlafend unter ihrer Decke. Max trat an die Musikbox und ging das Schallplattenverzeichnis durch. Da war es, »Wooden Heart« aus dem Film »G.I. Blues«, Anno 1960, Taste C 8. Die Wurlitzer schluckte den Groschen anstandslos und begann auf Tastendruck zu arbeiten. Max war noch nicht aus dem Zimmer, als Elvis losschmachtete.
»Can’t you see, I love you, please don’t break my heart in two…«
Hoffentlich versteht sie das nicht falsch, schmunzelte Max in sich hinein, als er mitsamt seiner Tasche aus der Wohnung und die Treppen hinunter flüchtete. Seine eigentliche Message kam schließlich erst im Mittelteil, wo Elvis sich auf ausländisch versuchte und damit deutsches Kulturgut zu bizarrer Blüte trieb. Es schallte sogar im Treppenhaus noch vernehmlich:
»Muss i denn, muss i denn, zuhum Schtädtele hinaus, Schtädtele hinaus, uhund du, mein Schatz, bleibst hier…«
Die Rikscha parkte noch an Ort und Stelle, quietschte, klapperte – aber fuhr. Der fällige Reparaturbesuch bei Hamid ließ sich getrost auf den Abend verschieben. Max klemmte seine Tasche unter die Fahrgastbank, stieg auf und fuhr die Schlüterstraße hinauf in Richtung Dammtor und Innenstadt, dorthin, wo er am ehesten auf Kollegen zu treffen hoffte, die man nach Oleg fragen könnte. Plötzlich trat er auf die Bremse und lenkte die Rikscha an den Straßenrand. An das Naheliegendste hatte er noch gar nicht gedacht – dass Oleg vielleicht inzwischen in ihre gemeinsame Wohnung zurückgekehrt war. Max nahm sein Handy und rief zu Hause an. Niemand ging ran, also hinterließ er Oleg für alle Fälle eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Und weil Max sowieso schon stand, konnte er auch gleich den Baldachin über der Rückbank aufspannen. Das sah einfach besser aus und köderte Fahrgäste. Die Taxifahrt zum Hirschpark hatte seine letzten Bargeldreserven fast vollständig aufgebraucht – es wäre durchaus fällig, mal wieder etwas Geld zu verdienen, auch für die Reparatur. Hamid arbeitete schließlich nicht umsonst.
Max klappte den Baldachin nach vorn. Die Klebebuchstaben mit der Nummer ihres »Diensthandys« hatten die Verfolgungsjagd diesmal unbeschadet überstanden. Das Diensthandy! Olegs eigenes Handy war im Park verloren gegangen, aber ihr gemeinsames Diensthandy
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