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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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strahlend weißes Licht den Gefangenen.
    »Halt die Schnauze! Wenn du Terror machst, kannst du hier verrotten.«
    Eine Stimme, grotesk verzerrt und unecht. Aus einem Lautsprecher, dachte Oleg, klingt nach Entenhausen. Donald Duck. Er schirmte seine Augen schützend mit einer Hand ab und versuchte krampfhaft, im gleißenden Gegenlicht des Scheinwerfers etwas zu erkennen. Vergeblich.
    »Was wollt ihr von mir?« stieß er hervor. »Wo bin ich überhaupt?«
    »Du hast etwas genommen, das uns gehört.«
    »Was soll das sein, bitte?«
    »Das Foto.«
    Das Foto. Nastja und ihr Mörder. Seine Peiniger waren die richtigen Erpresser, begriff Oleg. Bestimmt von Piet West alarmiert. Wie konnten die ihn so schnell erwischen? Und was würden die mit einem Trittbrettfahrer machen? Das Bild von Nastjas abgeschnittenem Finger auf Wests Schreibtisch stand ihm plötzlich deutlich vor Augen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
    »Ich hab’ kein Foto!« beteuerte Oleg. »Durchsucht mich!«
    Donald lachte gemein. Es klang wie eine überdrehte Bandsäge und stoppte abrupt. Die Stimme hüpfte um einen bedrohlichen Oktavsprung nach unten. »Das ist längst passiert. Wir wissen, dass du das Foto bei Westheim mitgenommen hast! Warum warst du bei ihm?«
    Richtig kalkuliert, dachte Oleg, Piet West hatte ihm diese Leute auf den Hals gehetzt. Es machte keinen Sinn mehr, so zu tun, als wisse er von gar nichts. »Das Mädchen auf dem Foto… Sie ist – sie war meine Freundin…«
    »Hast gewusst, dass sie was mit dem großen Piet West am Laufen hat und bist einfach mal auf Verdacht da vorbei, um sie in den Kissen zu erwischen?«
    »Nein«, beteuerte Oleg. »Ich wusste doch, dass sie tot ist!«
    Das schien Donald zu verblüffen. Oleg vernahm sein schnelles Atmen, dann quäkte die verzerrte Stimme wieder aus dem unsichtbaren Lautsprecher.
    »Woher?«
    »Ich war dabei, als man Nastja gefunden hat.«
    »Man hat was?« Donald verschlug es offenbar die Sprache. »Du lügst!«
    »Ein Freund von mir hat ihren Kopf aus dem Nikolaifleet gefischt!«
    »Ein Freund… derselbe, den du aus dem Hirschpark angerufen hast?«
    Sein Hilferuf an Max aus dem Hirschpark. Die großen Hände, die ihn plötzlich gepackt hielten und schüttelten. Wer kommt in zwanzig Minuten? hatte die Stimme ihn angeschrieen, bevor er bewusstlos geworden war. Max. Hatten sie ihn etwa auch erwischt? Max war ganz sicher seinem Hilferuf gefolgt. Die hätten nur auf ihn warten brauchen… Oleg biss sich auf die Lippen.
    »Er hat das Foto, richtig? Ihr hängt beide in der Sache drin! Das Mädchen vielleicht auch?«
    Himmel sei dank, sie hatten ihn nicht! Aber was für ein Mädchen? Oleg schloss die Augen und wandte sich ab. Bloß nichts mehr sagen.
    »Wo finden wir Max?« Oleg zuckte bei diesem Namen unwillkürlich zusammen – Donald quittierte diese Reaktion mit hämischem Gelächter. »Ja, ich kenne seinen Namen. Also mach’ es dir und mir etwas leichter. Wo finden wir ihn?«
    Oleg ließ sich auf dem Fußboden nieder und senkte demonstrativ den Kopf.
    »Dann verrotte!«
    Die Tür knallte zu. Schlagartig herrschte Finsternis. Oleg wehrte sich verzweifelt gegen ein aufsteigendes Schluchzen.
    Nackte Angst.
    Irgendetwas stimmte nicht. Es dauerte einen Moment, bis Max dahinter kam, was ihn irritierte: Es war die Bettdecke. Eigentlich war es keine richtige Bettdecke, sondern eine Wolldecke. Und Sonne im Gesicht hatte er normalerweise auch nicht, wenn er in seinem Bett aufwachte. Das ist nicht mein Bett, kalkulierte er messerscharf. Elementar, Dr. Watson. Und die Sonne scheint rosa. Max riskierte ein Blinzeln. Blendende Frühlingssonne brach sich im bunten Zierwerk der Wurlitzer und verstreute bonbonfarbene Tupfer im ganzen Zimmer. Astreine Puffbeleuchtung, am Morgen danach.
    Und plötzlich war ihm alles wieder präsent, der Hirschpark, die wilde Flucht, Polizei – und Elke. Gelaufen war nichts letzte Nacht zwischen ihnen, wusste Max, denn er konnte sich nicht mal mehr daran erinnern, dass Elke aus dem Badezimmer gekommen wäre – so schnell war er eingeschlafen. Max hörte sie hinter sich atmen. Nun ja, eigentlich war es eher leises Schnarchen. Genau genommen, gar nicht mal so leise. Sachte drehte sich Max unter der Wolldecke um. Elke lag ihm zugewandt schlafend auf der Seite, ihr Mund stand leicht offen und die Stirn zierte noch immer das martialische Pflaster. Eine Wolke Blondhaar halb über dem runden, weichen Gesicht, die Augen geschlossen. Augen, grün wie ein Bergsee, und wenn

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