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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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würde sich teuer verkaufen.
    Die mächtige Silhouette des Kapuzen-Hünen schob sich vor das gleißende Licht. Oleg hob die geballten Fäuste zur Doppeldeckung. Plötzlich ließ der Riese einen Besenstil vorschnellen, dessen Spitze heranflog wie eine zustoßende Viper und Oleg ebenso punktgenau wie schmerzhaft am Solarplexus erwischte. Er klappte augenblicklich zusammen, als hätte man ihm den Stecker gezogen. Schon trat der Angreifer hinter ihn, zog ihn mühelos zu der senkrechten Stange, an der Olegs Fußkette fixiert war, und lehnte ihn sitzend dagegen. Noch bevor Oleg wieder nach Luft zu schnappen vermochte, waren sein Oberkörper und sein rechter Arm an die Stange gefesselt. Nur der linke blieb frei. Warum, fragte sich Oleg, als er sich einigermaßen gesammelt hatte.
    »Dreimal die falsche Antwort«, konstatierte die Donaldstimme gleichmütig. »Kostet einen Finger.«
    Darum, schoss es Oleg durchs Hirn – aber bevor er die Hand wegziehen konnte, schnappte sich der Hüne hinter ihm den freien Arm und bog ihn derart zurück, dass Oleg vor Schmerz aufschrie und jede Gegenwehr einstellte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie eine Faust des Hünen seine eigene Linke fixierte wie ein Schraubstock. Und dann sah Oleg in der anderen Hand des Riesen etwas, auf dem sich das grelle Scheinwerferlicht blitzend brach – eine Geflügelschere. In seinem Kopf liefen die Bilder Amok. Plötzliche Erinnerungen an einen Ferienjob im Grillimbiss, aufgespießte Hähnchentorsos rotieren vor rotglühendem Strahler, für ein halbes Hähnchen die Geflügelschere am Brustbein ansetzen und Knackknack. Er spürte, wie die kalten Schnittflächen der Schere das unterste Glied seines kleinen Fingers ritzten…
    »Das Foto hat Max…« wimmerte Oleg.
    »Wo wohnt Max?« hakte Donald ungerührt nach.
    »Wir wohnen zusammen – in der Sillemstraße…«
    »Ich weiß, wo du wohnst«, schnitt Donald ihm das Wort ab. »Und jetzt: Tschüß, Finger!«
    Nein, wollte Oleg schreien – da schoss ihm beißend ein feuriger Schmerz durch die linke Hand.
    Knackknack.

14.
    Mit einem Ruck löste Max den Knochen aus dem weichen Fleisch und schlug – gierig wie ein hungriger Pirat – seine Zähne in die knusprige Hähnchenkeule, während ihm Saft und Bratfett über die Hand liefen. Bis St. Pauli hatte ihn sein innerer Motor noch getrieben, aber dann überbrüllte der Hunger jeden Denkvorgang. Da gab’s nur noch eines: Den direkten Weg zum nächstgelegenen Grillimbiss. Jetzt stand das Gelbe Ungetüm in dem kleinen Park zwischen Grünem Jäger und Pferdemarkt, und Max saß ein paar Schritte davon entfernt auf einer Bank, auf dem Schoß das halbe Hähnchen in einer fettigen Pappschale, neben sich eine gepflegte Ladung Pommes »Rot-Weiß« und eine offene Coladose. Max wischte eine Hand am Einwickelpapier ab und gönnte sich einen Schluck.
    Allmählich kam sein Denkapparat wieder auf Touren, was ihm leider noch keine Vorstellung davon verschaffte, was als Nächstes zu tun sei. Einfach nur abzuwarten, was Kommissar Hesse und Kollegen tun und lassen würden, wäre bestimmt ein Fehler – vielleicht taten die gar nichts, dachte Max, und inzwischen ist mit Oleg sonst was los. Aber wie hing bloß alles zusammen – Oleg, Nastja, Hamid, Pete West?
    Gedankenverloren verfütterte Max die letzten Pommes an eine räudige Großstadttaube. Die mühte sich vergeblich damit ab, sich die Kartoffelstäbchen schnabelgerecht vorzulegen, schluckte schwer und stob dann wild flatternd davon, als zwei Jungen auf Mountainbikes hart an ihren Schwanzfedern vorbei preschten. Auch bei einer Großstadttaube haben die Nerven Grenzen. Über Pferdemarkt, Budapester Straße, Neuer Kamp und Stresemannstraße brandete der Abendverkehr. Nie ist man einsamer als inmitten der Menschenmassen, dachte Max. Jetzt wäre ihm danach, mit jemandem zu reden. Jemand mit schönen Augen – klug, wach, grün. Komisch, dass ihm ausgerechnet Elke einfiel. Wahrscheinlich nur, weil sie so in der Geschichte mit drinhing. Bestimmt bloß deshalb.
    Sein Handy gab ein kurzes Piepsignal von sich. Eine SMS. Max knüllte Pappschale, Hähnchenreste, Coladose und Packpapier zu einer Kugel zusammen und versenkte sie zielsicher im Papierkorb. Dann las er die Nachricht vom Display: »Hi! Schon neue Beulen? Pass auf dich auf. LG, Elke.«
    Kurz entschlossen rief Max ihre Nummer zurück. Sie meldete sich sofort und freute sich hörbar über den Anruf. Allein das tat schon gut. Sie war wieder in der Wohnung des Professors und machte

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