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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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Zimmerlautstärke. Das Privileg eines Hausmeisters.
    »Ich hätte dich auch noch heute angerufen!« schrie Uhu gegen den Lärm aus Blech und Jodelchören an.
    »Willst du nicht mal leiser drehen?« schlug Max vor.
    Der Uhu legte den Hörer beiseite, eine Tür wurde geschlossen und der geballte Frohsinn um etliche Dezibel leiser. »Erika steht auf so was«, entschuldigte sich der Hausmeister, als er das Gespräch wieder aufnahm.
    »Und du stehst auf Frauen in Dirndlkostümen«, spekulierte Max.
    »Vor allem oben rum«, gab der Uhu freimütig zu. »wenn’s beim Jodeln ordentlich wackelt! Tolle Tracht, so’n Dirndl!«
    »Da störe ich natürlich ungern. Weißt du nun, in welchen Club Oleg seine Mädels vermittelt hat?«
    »Klar. Warte, hab’ ich aufgeschrieben…« er kramte offenbar nach einem Zettel, fand ihn und las umständlich vor. »Hell… on… Earth!« Das »Earth« klang bei ihm wie »Erd«. Aber damit lag er ja auch nicht wirklich daneben, und zur Sicherheit buchstabierte er das Ganze noch mal. »In Hammerbrook. Wendenstraße. Hausnummer weiß ich nicht, aber das dürfte ja wohl kein Problem sein. Na, bin ich gut?«
    »Einsame Spitze, Uhu. Hoffentlich kommt gleich im Fernsehen der Chor der drallen Sennerinnen. Hättest du redlich verdient.«
    »Milchtüten, so weit das Auge reicht!« schwelgte der Uhu und legte auf.
    Max steckte sein Handy ein, erhob sich von der Parkbank und sah zur Uhr. Noch ein bisschen früh für Clubbesuche. Vor 22 Uhr ging da sicher nichts. Das Wetter simulierte gerade wieder Frühling, da ließe sich bestimmt noch der ein oder andere Fahrgast klarmachen. Schließlich wäre bald wieder die Miete fällig.
    Und ob Oleg noch für die andere Hälfte aufkommen könnte…
    »Unsere Pumpen sind technisch auf dem neuesten Stand. Echte Wertarbeit! Vor jeder Auslieferung durchlaufen sie eine doppelte Endkontrolle, da wird jede Gurke gnadenlos aussortiert. Was bei uns rausgeht, ist Eins A!« schwadronierte es von der Rückbank. Max hörte kaum hin, sondern fädelte die Rikscha virtuos durch den trotz vorgerückter Stunde noch heftigen Verkehr auf der Nordkanalstraße, bis sie auf der rechten Spur ruhiges Fahrwasser erreichten. Seinen Passagier hatte er am Hauptbahnhof aufgegabelt – gerade, als Max nach einigen absolvierten Touren Feierabend machen wollte, um sich auf den Weg zum »Hell on Earth« zu machen. Der Fahrgast, ein Geschäftsmann aus Hagen mit kleinem Gepäck und großer Verdrängung, war eben mit dem Zug angereist und wollte zum Hotel »Ambassador«, Heidenkampsweg. Von dort aus war es nur ein Katzensprung zur Wendenstraße. Und zum »Hell on Earth«. Eine ideale Tour also für Max. Abgesehen vom ununterbrochen redenden Fahrgast, der morgen einen Großauftrag nebst fetter Provision an Land zu ziehen hoffte, indem er seine blöden Pumpen im Rahmen einer Präsentation der interessierten Firma »Weidemann & Co.« anbieten würde – und der nun seinen Rikschamann ungeniert als Probepublikum missbrauchte.
    »Sind Konkurrenzprodukte billiger? Unwesentlich, nur sehr unwesentlich. Sind sie besser? Auf keinen Fall! Außerdem: Bei Investitionen dieser Größenordnung müssen unbedingt die Folgekosten einkalkuliert werden. Auch eine Firma wie Weidemann & Co. floriert nur, weil das Management rechnen kann. Folgekosten! Da liegen wir ganz weit vorn! Unsere Pumpen sind nahezu wartungsfrei, das reduziert die Personalkosten. Dazu die überdurchschnittliche Garantiezeit…«
    Zum Glück kam der Anckelmannsplatz in Sicht. Und die kühn geschwungene Bürohausfassade des »Berliner Bogens«, die, scheinbar schwerelos, über den Wassern eines Rückhaltebeckens schwebte wie ein selbsttragendes Expeditionszelt. Gegenüber lag das »Ambassador«. Max bremste die Rikscha punktgenau vor dem Entree. Der Mann aus Hagen zückte bereitwillig sein Geld und zahlte die vereinbarte Summe. Danach behielt er die Brieftasche spielerisch in der Hand und blinzelte Max verschmitzt an.
    »Wird ein langer, langweiliger Abend. Ich kenn’ hier keine Sau. Kleinen Tipp für mich?«
    »Für den Mädchenhandel ist mein Partner zuständig«, erklärte Max trocken. »Der ist allerdings außer Dienst.«
    »An Mädchen hatte ich eigentlich nicht gedacht.« Hagen blinzelte schmachtend. »Du würdest mir völlig reichen! Bist ein lecker Kerlchen…«
    »Ganz entzückend.« Max verzog keine Miene. »Da freut sich mein Vater bestimmt, dass ich dich eher kennen lerne als er.«
    »Dein Vater?« Hagens Blick flatterte irritiert. »Was

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