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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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Innenstadt entfernte, atmete Max die kühle Nachtluft an den Marco-Polo-Terrassen. Am Ausgang des kleinen Hafenbeckens vor ihm reichte der Blick frei über den Fluss, hinüber nach Steinwerder, wo im Schein gelben Flutlichts Van-Carrier rollten und Container verschoben wurden. Auf der Norderelbe pochte ein Schiffsdiesel, und die Positionslichter einer Barkasse zogen vorbei. Der Hafen schlief nie.
    »Und jetzt?« Elke trat neben Max. Auch Bronstein sah ihn erwartungsvoll an.
    Max wies auf die modernen Apartmentblocks am Dalmannkai. »Eines von denen muss es sein.«
    »Du weißt es nicht genau?« fragte die Kripofrau erstaunt. »Aber dass Pete West hier ein Penthouse besitzt – das ist doch wohl wenigstens sicher?«
    »Ich vermute es«, relativierte Max. »Ein West-Fan hat im Internet Fotos eingestellt, die Pete genau hier zeigen. Unser Pop-Titan ist da vorne abgebogen und dann in eine Tiefgarage gefahren. Der Fan hat zwei Stunden davor gelauert, aber Pete ist nicht wieder aufgetaucht. Das entspricht doch voll Petes Amüsierschema: Nobel, diskret und citynah! Und das ›Hell on Earth‹ ist auch nicht weit weg!«
    »Du vermutest es bloß?« stöhnte Bronstein.
    »Sie müssen ja nicht mitsuchen. Die U-Bahn ist gleich dahinten…« regte Elke eifrig an und erntete prompt einen missmutigen Blick der Kripofrau.
    »Vielleicht erkenne ich die Garageneinfahrt wieder! Im Web war eine Nahaufnahme.« Max zog einfach los. Elke schloss sich ihm an. Bronstein schüttelte resigniert den Kopf und trottete ihnen nach.
    Die Straße hieß »Am Kaiserkai«. Zur Wasserseite hin waren die Apartmentblocks nur zu Fuß erreichbar, also befanden sich alle Garagenzufahrten in dieser Straße. Und nahezu jedes Gebäude verfügte über eine eigene Tiefgarage. Max versuchte sich an spezielle Erkennungsmerkmale zu erinnern, aber zum einen hatte er die Fotoserie im Internet nur kurz betrachtet – zum anderen unterschieden sich die Rolltore der Garagen nicht wesentlich voneinander, schon gar nicht in dunkler Aprilnacht. Auf den Fotos war Pete West von der Straße nach links in die Garage abgebogen, das gesuchte Haus musste sich demnach auf der linken Straßenseite befinden. Trotzdem gelang es Max nicht, sich eindeutig für eine bestimmte Einfahrt zu entscheiden. Mittlerweile hatten sie den Kaiserkai bereits zweimal in voller Länge abgeschritten.
    »Da vorne könnte es sein«, meinte Max. »Das Tor zwei Häuser weiter käme auch in Frage. Oder das daneben.«
    »Vermutest du!« stichelte die Kripofrau.
    »Wir überprüfen die Namensschilder an den Klingeln«, schlug Elke vor.
    Bronstein grinste spöttisch. »Pete West baut sich ein geheimes Liebesnest, und dann schreibt er seinen Namen an die Tür? Träumt weiter!«
    Max fand die Idee gar nicht so übel. »Wenn West nur halb so fantasielos ist wie seine Songs, dann ist sein Deckname möglicherweise leicht zu durchschauen! Wir sollten es wenigstens versuchen.«
    »Von mir aus.« Bronstein zuckte mit den Schultern. »Ich nehme das Haus dahinten.« Sie deutete auf den ersten Apartmentblock, auf den Max verwiesen hatte, und setzte sich auch schon in Bewegung.
    »Dann geh’ ich ganz nach rechts«, verkündete Elke. Max nickte ihr zu und steuerte den mittleren der drei Blöcke an. Das Entree wirkte, wie alles hier, sauber und geleckt wie frisch aus dem Katalog für gehobenen Lifestyle. Terracottakübel, bunter Putz, Marmor und luftig verschachtelte Loggien verliehen dem Gebäude südliches Flair – als brandeten davor türkisfarbene Mittelmeerwellen auf feinweißen Sand anstelle der Hamburger Hafenbrühe, die sich leise schmatzend an den grauen Mauern des Dalmannkais rieb. Die Haustür war geschlossen. Max probierte den gezackten Sicherheitsschlüssel aus, doch der passte nicht. Natürlich könnte er trotzdem zur Wohnungstür eines der Apartments im Haus gehören. Max ließ den Finger über die Namen am Klingelbrett laufen. Gleich der oberste Name entlockte ihm ein siegessicheres Grinsen. Neben der Klingel standen nur drei Buchstaben: »Ost«. West hatte in der Tat nicht viel Kreativität für sein Pseudonym verschwendet. Max ging zur Straße zurück, winkte die beiden Frauen heran und präsentierte seine Entdeckung.
    »Echt billig!« kicherte Elke. »Passt aber zu Pete West.«
    »Noch sind wir nicht drin«, gab Bronstein zu bedenken. »Und einfach irgendeinen Bewohner aus dem Bett klingeln, damit der unten die Haustür öffnet – da mach’ ich nicht mit! Ich will hier nicht unnötig Aufsehen

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