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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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einzige Konsequenz ziehen.
    »Steht dein Pickup auf dem Hof?«
    Der Mechaniker nickte. Max streckte nur stumm die Hand aus. Hamid langte in die ausgebeulte Tasche seines versengten Overalls, fischte die Autoschlüssel heraus und drückte sie dem jungen Mann in die Hand. »Bevor du fährst – schaff deine Ruine von Rikscha hier rein! Wenn irgendein Frühaufsteher die Trümmer auf dem Hof sieht, ruft er womöglich die Bullen. Und die kann ich hier nicht gebrauchen!«
    Max nickte und eilte hinaus. Langsam humpelte Hamid zur Tür und schob die Doppelflügel auf. Draußen graute bereits der Morgen, und so zeichneten sich die traurigen Reste dessen, was einmal eine Rikscha gewesen war, im Licht der ersten Dämmerung ab. Vorderrad, Gabel und Lenker hatte der wuchtige Aufprall glatt vom Rahmen getrennt. Max legte sie auf die Fahrgastbank, deren Polster auseinandergefetzt war wie ein zerplatzter Luftballon. Die Hinterachse hing schief, saß jedoch noch im Lager. Der abgeknickt am Gestänge baumelnde Sattel sah aus, als ließe das Gelbe Ungetüm resigniert den Kopf hängen. Zweifellos berechtigt. Das abgeknickte Sattelrohr mit der an den Rändern ausgefransten Bruchstelle erinnerte Max derart an den wunden Stumpf eines gewaltsam amputierten Fingers, dass er sich auf die Lippen beißen musste. Trotzdem blieb sein Blick fasziniert auf dem gebrochenen Rohr kleben. Aus dem offenen Gestänge ragte ein bunter Fetzen Papier. Max sah nach: Den ganzen Hohlraum des Rohres verstopfte irgendwelches Papierzeug. Auf der eiernden Hinterachse zog er die Rikscha mühsam hinter sich her in die Werkstatt, direkt unter eine der Deckenleuchten, und angelte mit den Fingern nach den Papieren.
    »Was ist denn da?« erkundigte sich Hamid, der hinter Max die Türen wieder schloss.
    »Eine Flaschenpost«, murmelte Max tastend und zog das erste Papier aus dem Rohr. Ein Foto.
    Und was für eins. Nastjas nackte, blutige Leiche, die Klinge in der Brust, Pete West daneben, die Hand noch am Messergriff.
    »Hey, da ist Geld drin!« staunte Hamid. »Alles Hunderter!« Er zog eifrig die ersten Scheine aus dem zerborstenen Rohr, dann erst fiel sein Blick auf den wie erstarrt dastehenden Max. Und endlich auf das Foto. »Heiliger…!«
    Hamid verstummte erschüttert. Seine Reaktion half Max, die Gedanken wieder auf Touren zu bringen und sich aus dem Schock zu lösen.
    »Irgendjemand hat die Kamera gehalten! Barbar. Oder sein Chef Rufus. Oder beide. Und Oleg ist ihnen in die Quere gekommen, weil er irgendwie an dieses Foto gekommen ist!«
    »Die machen dich fertig, Max. Die nehmen dich auseinander wie deine Rikscha!«
    »Bewahre das für mich auf.« Max drückte dem Mechaniker das Foto in die Hand. »Und wenn ich bis heute Mittag, 12 Uhr, nichts von mir hören lasse, spielst du es der Kripo zu. Von mir aus anonym. An Kommissar Hesse.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte Max zur Tür.
    »Was ist mit dem Geld?« rief Hamid ihm nach. Der junge Mann blickte noch einmal kurz über die Schulter.
    »Scheißegal!«
    Weg war er.
    »Du bist nachher um Neun in der Bank, Viertel nach Neun hast du die Million, halb Zehn melden wir uns! Du bist nachher um Neun in der Bank…«
    Pieter hatte diesen Satz aus der Aufnahme des Telefonats mit dem Erpresser herausgeschnitten und mehrfach dupliziert. Jetzt lief Donalds Forderung als Endlos-Loop durch den Computer und hinterließ eine gezackte Tonspur auf dem Monitor. Elena sah ihrem Mann gespannt dabei über die Schulter, wie er mit der Maus in rascher Folge mehrere virtuelle Effektgeräte öffnete.
    Pieter fühlte sich voll in seinem Element. Ohne Effektgeräte hätte er niemals auch nur einen Hit gelandet, das war ihm durchaus bewusst. Von Haus aus reichte seine Stimme kaum für einen Schulchor. Zum Glück verfügte er über genügend technischen Sachverstand. Und über die Cleverness, stets den neuesten Stand der Studiotechnik für sich zu nutzen.
    »Der Time-Processor! Gutes Ding, nehmen wir«, grunzte Pieter zufrieden und zog das Bild eines rechteckigen Kastens mit blinkenden Reglern und Drehknöpfen in den Vollbildmodus.
    Elena verstand nur Bahnhof. »Was bringt das Teil?«
    »Timestretching, Pitchshifting, Resampling!«
    »Aha.«
    »Pass auf!« grinste Pieter. Er fuhr mit dem Mauszeiger über den Kasten, stoppte auf einer Schaltfläche »Power on« und klickte.
    »Du bist nachher um Neun in der Bank, Viertel nach Neun hast du die Million, halb Zehn melden wir uns! Du bist nachher um Neun in der Bank…«
    Donald klang exakt so

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