Der Ring
hatte gedacht, es sei Tag, aber jetzt sah er, daß draußen ein Flutlicht brannte. Es war Nacht – wahrscheinlich erst eine oder zwei Stunden nach seinem Aufprall.
„Wie spät?“
„Zwanzig“, sagte sie und zeigte auf die alte Uhr an der Wand. Sie war so alt, daß sie noch immer ein Zwölfstunden-Zifferblatt hatte. Der Stundenzeiger wies auf die Acht. „Man sieht’s sowieso, das ist nämlich, wenn im Leichtfuß-Palast weiter die Straße rauf das Licht dunkel wird, zum Sabbat. Aber ich glaube, das kannst du von dem Fenster nicht sehen.“
Jeff versagte sich die Bemerkung, es interessiere ihn nicht im geringsten, was im Leichtfuß-Palast vorgehen mochte. Im Augenblick brauchte er Informationen über Wesentliches. Er konnte einen großen Mann mit breiten Schultern, einem vorstehenden Bauch und rotem Gesicht erkennen – ja, das war Bladderwart. Der fleischige Arm hob und senkte sich; der Mann hämmerte an einem Mono-Rad herum, das fast U-förmig verbogen war.
„Sag’ Ed, daß ich wach bin“, sagte Jeff, der zu dem Schluß gekommen war, daß die Frau nicht von selbst daran denken würde.
Sie ging zur Tür. „Ed! Flachkopf!“
Er sah einen kleinen Mann mit einem irgendwie zusammengeschrumpften Gesicht und spinnengleichen Armen und Beinen aus einem Wagenwrack auftauchen und zusammen mit Bladderwart auf das Haus zurennen. Er hörte sie ein paar Stufen heraufbumsen und dann über eine Vor-Plattform rennen; dann standen sie im Zimmer und starrten ihn an.
Jeff musterte die Einbeulung in Flachkopfs Stirn und das frettchenhafte Gesicht; dann konzentrierte er sich auf die lebendigeren Gesichtszüge von Kleiderschrank Ed. Kein Zweifel, wer der Chef und wer der Helfer war.
„Flont ist wach“, sagte Annie unnötigerweise.
„Font“, berichtigte Jeff. Jetzt wurde er seines bisher unbewußten Überlegenheitsgefühls über diese Elendsviertelbewohner gewahr. „Wir kennen uns. Ich habe von Ed einmal einen Wagen gemietet.“
„Ich hab’ gewußt, daß Sie’s sind“, stimmte Ed zu. Er watschelte zu dem Wrack eines Kühlschrankes und riß die Vorderseite auf. „Wollen Sie’n Bier, Flont?“
„Jetzt nicht“, sagte Jeff, der es aufgab, seinen Namen richtigzustellen.
„Annie, die redet ‘ne Menge“, sagte Ed und öffnete sein Bier am Ausguß, „aber sie sagt nicht viel. Was ich bin, ich bin’n Mann, der was bewerkstelligen will.“ Er brachte Jeff die geöffnete Flasche und drückte sie ihm in die Hand.
Jeff wollte protestieren, aber schon war ihm wieder der breite Rücken zugewandt, und Ed zog sich zurück. Er zuckte die Achseln und probierte – und entdeckte, daß er auf so etwas doch einen ziemlichen Durst hatte. Volksheilmittel: Manchmal war etwas daran. Jedenfalls konnte das Zeug seine Kopfschmerzen lindern.
Ed öffnete ein zweites Bier und setzte sich auf einen wackeligen Stuhl, den er vom Tisch heranzog. „Louie, du holst dir ‘ne Limonade“, sagte er. Er wandte sich halb dem Mann zu und wartete, bis der zur Tür hinausgeschlurft war, ehe er wieder sprach.
Ed wandte den Kopf und richtete Augen wie blutdurchzogene Walnüsse auf ihn. „Das ist so, Flont. Ich bin’n kleiner Rattenkönig von dem Schrottplatz hier.“ Er nahm einen Schluck aus der Bierflasche, und Jeff ahmte die Bewegung höflich nach. Er entdeckte, daß das Zeug ganz schön zu Kopf stieg – es war kalt und stark.
Bladderwart wollte auf etwas hinaus. Dieser Kreisel, der gestohlene, mußte für ihn ein Verlustgeschäft gewesen sein. Erwartete Ed jetzt eine Bezahlung dafür?
„Jaja“, sagte Ed. „Scharfsinnig wie ‘ne Ratte. Bis jetzt war die größte Sache, die ich abgezogen habe, daß ich’n paar Flaschen Bier geklaut habe. Für einen aus Gunnardorf ganz clever.“
Jeff begann dieser Mann zu faszinieren. Er sah jetzt eine ganz andere Persönlichkeit, als er sie sich bisher vorgestellt hatte. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, daß auch Leute aus Gunnardorf Ehrgeiz haben könnten. „Und Sie wissen, daß ich keiner aus Gunnardorf bin, wie? Sie haben meine Papiere durchgelesen und gesehen, daß ich im Weltraumdienst war. Daß ich aus …“
„Alpha IV, jaja. Sie sind dagewesen, ich glaube, da waren Sie noch’n Gör, und da waren Sie bei der Marine, und jetzt sind Sie hier. Ich hab’ mir so meine Gedanken gemacht. Wie kommt ein Mann vom Weltraum zum Ring und dreht die Sache dann so hin, um da rauszukommen? Weil er bekloppt ist? Neenee, ich hab’ gesehen, wie Sie heute abend gefahren sind. Ich weiß, daß Sie’n
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