Der Ring Der Jaegerin
ziemlich weit gediehen, auch wenn ich an manchen Tagen rückfällig wurde und von Zweifeln geplagt. Wäre Minni bei mir, dieser kleine, absolut realistische Beweis meiner Fähigkeiten, hätte sie mir sicher mit dem Hinweis auf unqualifiziertes Nutzvieh in solchen Momenten den Rücken gestärkt. Aber für Alan, obwohl er sich anfangs so erstaunlich leicht mit den unnatürlichen Aspekten meiner Begabung abgefunden hatte, musste ja irgendwann auch die Vorstellungskraft mit der Wirklichkeit in Konflikt geraten. Vielleicht wäre es für ihn leichter, wenn sein Märchenonkel Malte, der Haltepunkt in einer phantastischen Umgebung, hiergeblieben wäre und nicht, genau wie ich, sich in eine Welt zurückgezogen hätte, in die Alan nie folgen konnte. Er tat mir leid, aber helfen konnte ich ihm nicht. Ich hoffte nur, dass ich ihn nicht verlieren würde.
Ich verbrachte den Samstagabend also alleine. Noch nicht einmal Pfötchen war da. Ich putzte ein bisschen, kochte mir eine Kleinigkeit, räumte meine Tasche neu ein und machte mir eine Liste der Dinge, die ich bei meinem nächsten Besuch in Trefélin mitnehmen wollte. Dann ging ich ins Bett.
Ich lief über eine weite, ebene Wiese. Strahlend gelbe Narzissen ließen ihre Blütenglocken über frischen, grünen Hälmchen schwanken, der Duft weißer Hyazinthen durchwehte die frühlingsmilde Luft, und das Gras federte weich unter meinen Pfoten.
Pfoten?
Pfoten, wie die nähere Betrachtung bestätigte. Seidig behaarte, cremeweiße Pfoten, der Rest des Fells war ebenso hell, der Schwanz war wundervoll gebogen. Und meine Gelenkigkeit atemberaubend. Es machte mir überhaupt nichts aus, eine riesige Katze zu sein. Ich befand mich in einem frühlingshaften Trefélin, oder? Lauben waren weit und breit nicht zu sehen, nur blumengeschmückte Wiesen, hier und da ein blühender Baum, der vor einem blassblauen Himmel seine Blütenwolke aufsteigen ließ. Ich trabte einfach weiter, zufrieden mit den zarten Düften, die meine Nase umschmeichelten, dem fröhlichen Singen, Zirpen, Flöten und Zwitschern von Tausenden kleiner, bunter Vögel, die im Sonnenrausch auf und ab stiegen. Ein breiter Fluss ergoss sein Wasser sprudelnd, quirlend über die rundgewaschenen Steine in seinem Bett, seine flachen Ufer von Irislanzen gesäumt. Schwertlilien entfalteten ihren gelben Wappenschmuck, Schilf wickelte seine Sprossen aus den braunen Hüllen der trockenen Vorjahreshalme, und am Boden mischten sich dottergelbe, glänzende Sumpfblüten mit tiefblauen Vergissmeinnichtsternchen.
Ich fand einen moosbedeckten Stein und legte mich nieder, genügsam dem Fluss des Wassers und der Zeit zu lauschen. Die Sonnenstrahlen auf meinem Rücken wärmten das Fell wohlig, und nichts störte den Frieden und den Einklang der Welt um mich her.
»Dies ist ein Ort der Stille, Katharina, die Zuflucht für die, die getrieben, gehetzt, unglücklich und verzweifelt sind. Hier ruhen wir, wenn die Leben zu mühselig werden, wenn wir vergessen müssen, was uns an Grausamkeiten widerfuhr. Gefällt es dir auf den Goldenen Steppen?«
Die edle schwarze Siamkatze mit den meerestiefen blauen Augen war lautlos zu mir getreten. Ich neigte mein Haupt, um den Weisen zu grüßen.
»Ja, Amun Hab. Es ist wundervoll ruhig hier. Heilsam, möchte man meinen. Doch ist es richtig, dass du hier weilst?«
»Nun, ich verfüge über ein paar kleine, nützliche Fähigkeiten, die es mir ermöglichen, dann und wann diese Stätte der Geruhsamkeit aufzusuchen, um für eine Weile von den Sorgen der Welt befreit zu sein. Ich wollte dir diesen Hort des Friedens zeigen, damit auch du zukünftig hier deine Kräfte auffrischen kannst.«
Ich sah den Weisen einen Moment verwirrt an, dann ging mir auf, dass das vermutlich eine sehr ungewöhnliche Einladung war.
»Amun Hab, mir scheint, das ist sehr großzügig von dir. Es mag sein, dass ich dein Angebot hin und wieder annehmen werde.«
»Eine Einschränkung ist jedoch damit verbunden, aber es sieht ja so aus, als ob sie dir nichts ausmacht.«
Der schwarze Kater lächelte vergnügt.
»Ich darf mich hier nur in kätzischer Gestalt aufhalten, das meinst du, nicht wahr? Das macht mir wirklich nichts.«
»Gut so. Genieße die Zeit, Katharina, dann kehre gestärkt zurück.«
Als ich erwachte, kam es mir fast ungewöhnlich vor, meine nackte Haut zu sehen. Ich räkelte mich genüsslich, dachte an ein blutiges Steak zum Frühstück und musste mich bei dem Gedanken an eine Dusche schütteln. Aber dann zwickte mich die
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