Der Ring Der Jaegerin
ich, ihre Erinnerung zu aktivieren. Bequemerweise tischte ich auch ihr die Geschichte von der Bekannten auf, die für einen Artikel über alte Naturheilverfahren recherchierte. Seit meiner gescheiterten Ehe haben meine Mutter und ich ein eher distanziertes Verhältnis. Sie konnte es lange Zeit nicht unterlassen, mir ständig ein: »Ja, hättest du früher auf mich gehört!« unterzujubeln. Aber allmählich schien das in Vergessenheit zu geraten, und unsere Unterhaltungen wurden etwas ungezwungener.
»Ich erinnere mich, damals bei Mandy. Eine unmögliche Sammlung von verstaubten Schundromanen, alten Kochbüchern – weißt du, solche Rezepte, wo überall ein Pfund Butter, zwanzig Eier und ordentlich Schmalz verwendet wurden.« Das musste Mutter besonders gegruselt haben, sie ist eine Adeptin der Nouvelle Cuisine.
»Ja, aber ein Buch über Heilkunde oder so?«
»Vermutlich ja, ich glaube, da gab es so ein Buch‚ ›Die gute Hausärztin‹. Häusliche Krankenpflege, Kräutertees und so weiter. Aus den Zwanzigern.«
»Nein, es müsste älter sein.«
»Katharina, das ist schwierig. Ich habe auch nicht mehr alles im Gedächtnis. Aber vielleicht kann deine Bekannte mal in dem Antiquariat nachfragen, wo das Zeug gelandet ist. Der Besitzer hat das sicher registriert.«
Ich spitzte die Ohren. Das klang erfolgversprechender als alle vagen Erinnerungen. Und Mutter hatte sogar den Namen und die Adresse des Mannes, der die Sachen aufgekauft hatte. Wir wechselten noch ein paar belanglose Worte über das Wetter, meine Essgewohnheiten, die ihr missfielen. Und über Cousine Sabina und ihre vornehme Chinchillakatze, die wieder einmal einen grandiosen Titel auf Europaniveau gewonnen hatte. Ich erzählte ihr, dass ich jetzt ebenfalls in das Eigentum einer weißen Katze übergegangen war.
»Das ist ganz gut für dich. Diese Tiere strahlen so viel Ruhe aus.«
»Na, Mutter, wenn du dich da mal nicht täuschst. Ich hatte ein paar äußerst unruhige Abende seither.«
Als ich nach Hause kam, war ich stolz auf meine Beute, Minni auch. Sie präsentierte mir eine hübsche Haselmaus, als ich aus dem Auto stieg.
»Sieht köstlich aus, Minni. Wächst so was hier?«
»Wifft ’n Ftück?«
»Äh … nein danke. Ist ganz deine Maus.«
Minni verzehrte sie, die Knochen knacksten unappetitlich, und darum ließ ich sie mit ihrer Mahlzeit alleine. Sie kam, als sie fertig war, über den Kirschbaum auf den Balkon. Die Tür hatte ich schon aufgemacht.
»Wir können morgen Nachmittag gemeinsam in die Stadt fahren und einen Herrn Malte Buchbinder aufsuchen, Minni. Dessen Name spricht beinahe für sich selbst, er hat einen Laden mit Büchern aus zweiter Hand und alten Ausgaben. Bist du jetzt zufrieden mit mir?«
»Beinahe.«
Uff, dem Tier konnte man wohl gar nichts recht machen.
»Was isst du heute Abend?«
»Weiß nicht, ein Brot oder so. Ich habe nicht jeden Tag ein Schleckerchen für dich.«
»Ach was, ich bin mit einer Dose zufrieden. Du isst zu wenig.«
»Unsinn. Darum brauchst du dich nicht zu kümmern.«
»Doch.«
Ich machte Minni einen Teller Hühnerragout zurecht, das als besonders bekömmlich bezeichnet wurde. Eine Maus war für eine Katze wie Minni sicher zu wenig.
»Sag mal, ist die Reklame für das Zeug eigentlich einigermaßen korrekt, oder ist das alles maßlos übertrieben, was sie da von dem Genuss für Katzen erzählen.«
Minni naschte kritisch einen Bissen und meinte dann: »Na, es geht. Man wird satt, nicht glücklich.«
»Und wovon wird man glücklich?«
»Zum Beispiel von einem Tellerchen pochiertem Lachs mit einer zarten Crevettentunke.«
So viel dazu. Ich mümmelte mein Brot, wurde satt und auch nicht glücklich. Aber das war auch gar nicht mein Bestreben. Ich wollte meine Statistik-Aufgaben lösen, da ist ein voller Magen sowieso nicht wünschenswert. Minni verhielt sich ruhig, sie blätterte in ein paar Bildbänden herum, die ich ihr auf den Boden gelegt hatte, unterhielt sich damit, einem Papierbällchen hinterherzujagen, und rollte sich dann friedlich zusammen.
Länger als eine Stunde hielt ich es diesmal wieder nicht aus. Was hätte ich für ein paar Kommilitonen gegeben, mit denen man die Ergebnisse mal diskutieren oder zumindest gemeinsam das allgemeine Nichtverstehen bejammern konnte. Vielleicht sollte ich morgen mal mit einem der Ingenieure über das Problem sprechen? Aber an sich wollte ich das mit dem Studium nicht so verbreiten. Außerdem kannte ich keinen der Techniker so richtig. Ich klappte das
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