Der Ring Der Jaegerin
Übungsheft zu und starrte dumpfen Gedanken nachhängend aus dem Fenster in die düstere Nacht. Einmal hatte ich den Statistikschein schon versiebt, eine zweite Chance sollte ich tunlichst erfolgreich nutzen. Aber so wie mein jetziger Erkenntnisstand war, wurde das wieder nichts.
Ich musste wohl geseufzt haben, denn plötzlich saß Minni neben mir auf dem Schreibtisch, sah mich tiefgründig an und meinte:
»Müde versunken
im Teich dunkler Gedanken –
Sternenlicht tröstet!«
»Wie bitte?«
»Ein Haiku, von mir. Nicht besonders gut, aber ich wollte dir helfen.«
Ich lächelte sie schief an und strich ihr über den Kopf. Die Absicht, mir helfen zu wollen, überraschte mich und berührte mich seltsam. Ich ließ mir das kleine Gedicht noch mal wiederholen, und unwillkürlich stieg mein Blick zum Himmel auf. Die Wolkendecke, die seit Tagen tief, grau und bedrückend über einer unzeitgemäß warmen Herbstlandschaft gehangen hatte, war aufgerissen, und ein prächtiger Winterhimmel funkelte zwischen den schwarzen, eckigen Silhouetten der Vorstadthäuser. Ich stand auf und öffnete die Balkontür, um ihn mir näher zu betrachten. Frostig kalte Luft schlug mir entgegen. Ein Wetterumschwung war eingetreten, vermutlich ein Hochdruckgebiet aus den Eisschränken des Ostens. Und als ich so den Himmelsausschnitt betrachtete, der sich über mir wölbte, da wurde mir plötzlich ein wenig leichter ums Herz. Vielleicht würde ich die Klausur doch noch schaffen, sie war ja erst für Februar angesagt. Bis dahin konnten locker noch zwei, drei Wunder geschehen.
»Es ist ziemlich kalt geworden, hast du gerne kalte Ohren? Ich jedenfalls nicht.«
»Nein, Minni, ich auch nicht. Komm, wir machen das Fenster zu und gönnen uns noch etwas Schönes. Magst du warme Milch mit Honig?«
»Mhm.«
»Gut, sollst du bekommen. Ich gehe nur schnell noch hinaus und decke die Scheiben von meinem Auto ab, damit es morgen früh nicht so lange dauert, sie freizukratzen. Wir scheinen anderes Wetter zu bekommen.«
»Ach was?«
»Minerva!«
»Flitz runter, Katharina.«
Ich beeilte mich, und dann schlürften wir beide unseren Abendtrunk. Ich hatte mir einen schrecklich kalorienreichen Kakao gekocht, und Minni bekam die versprochene warme Milch.
Für den Mittwoch hatte ich mir vorgenommen, rechtzeitig im Büro Schluss zu machen, um einerseits die fällige Neuanschaffung der Gardinen in die Wege zu leiten und mein Versprechen gegenüber Minni einzuhalten, mit ihr zu dem Buchhändler zu fahren. Wurde aber nichts draus. Mergelstein kam mit einem Protokoll, das unbedingt noch am gleichen Tag herausmusste. Zwanzig Seiten und alles in seiner mikroskopisch kleinen Handschrift mit Dutzenden von Randbemerkungen und Einfügungen. Grauenvoll. Es wurde vier, es wurde halb fünf, ich hatte noch nicht einmal den Rohentwurf fertig und machte mir allmählich Sorgen um Minni. Wer wusste, was für Zerstörungsorgien dieser kleine weiße Teufel anrichtete, wenn ich nicht pünktlich erschien. Wegen der kalten Außentemperaturen war sie nämlich in der Wohnung geblieben und lauerte vermutlich schon auf meine Rückkehr.
Es wurde fünf Uhr, und Mergelstein hatte natürlich noch eine ganz wichtige Änderung in der Formulierung, das Argument auf Seite sieben musste ganz anders ausgedrückt werden, sonst gab es ein schiefes Bild. Und diese Aussage von Schrader sei ganz anders gemeint … Dann gab es ein Problem mit dem Drucker, und um halb sechs unternahm ich in meiner Verzweiflung den Versuch, in meiner Wohnung anzurufen, in der Hoffnung, dass Minni auf meine Worte aus dem Anrufbeantworter reagierte. Ich hinterließ ihr die Nachricht, dass es bei mir sehr viel später würde und sie sich schon mal eines von den Aluschälchen – sie standen auf dem Küchenschrank – aufmachen solle. Dann widmete ich mich mit einem klammen Gefühl den Korrekturen, und gegen acht war dann alles so, wie der gute Nörgelstein es haben wollte.
»Ich hoffe, Sie hatten heute Abend nichts Besonderes vor, Frau Leyden. Es ist mir ja sehr unangenehm, dass ich Sie so lange aufhalten musste, aber mit diesem Schrader ist nicht zu spaßen.«
»Schon gut, Herr Mergelstein. Ich hoffe nur, meine Katze hat nicht inzwischen die Wohnung umdekoriert. Sie ist etwas eigen, wenn sie sich langweilt.«
»Sie haben eine Katze? Das wusste ich gar nicht. Was für ein Tier?«
»Oh, es wird etwas Orientalisches sein. Weiß, schlanker Körperbau, schmales Gesicht und blaue Augen. Sie ist mir letzte Woche
Weitere Kostenlose Bücher