Der Ring der Kraft - Covenant 06
nickte und beschäftigte sich wieder mit eigenen Gedanken. Hinter ihrer enormen Körperkraft, wie sie den Riesen zu eigen war, und dem Verheilen ihrer Wunde war sie stark erschöpft. Nach einer Weile zog sie ihr Schwert und begann es mit den langsamen, umsichtigen Bewegungen einer Frau zu säubern und abzutrocknen, die nicht wußte, was sie anderes tun sollte.
Als läge ihm daran, sie aufzumuntern, holte Pechnase die Flöte aus seinem Bündel, schüttelte das Wasser aus ihr und versuchte zu spielen. Aber seine Hände oder Lippen waren zu müde, um richtige musikalische Töne erzeugen zu können. Wenig später gab er den Versuch auf.
Eine Zeitlang widmete Linden ihre Überlegungen der Sonne und erlaubte sich das Gefühl einer gewissen Erleichterung. Unter einer Sonne der Fruchtbarkeit oder der Seuchen würde das Wasser wärmer sein, und man konnte wieder den Himmel sehen, die weite Welt ringsum. Und eine Sonne der Dürre war auf gar keinen Fall mit Kälte verbunden.
Allmählich gewahrte Linden, daß Covenant noch immer schlotterte. Ein rascher Blick zeigte ihr, er war keineswegs krank. Sie bezweifelte, daß er, nachdem er das Sonnenfeuer überstanden hatte, jemals wieder erkranken konnte. Aber die Haltung seines Körpers war vollständig verkrampft, dermaßen starr und steif, daß er fiebrig wirkte. Linden legte eine Hand auf seinen rechten Unterarm, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ihre Augen fragten stumm, mit welchen Sorgen er sich befaßte.
Er schaute sie verhärmt an, richtete seinen Blick zurück ins Feuer, als könne er in der Glut geeignete Worte finden. Als er sprach, überraschte er sie seinerseits mit einer Frage. »Bist du sicher, daß du nach Andelain möchtest? Als du das letzte Mal dazu die Gelegenheit hattest, hast du dich geweigert.«
Das war die Wahrheit. Als sie sich am südwestlichen Rand der Hügellandschaft Andelains befanden, hatte sie es abgelehnt – so wie Sunder und Hollian –, Covenant ins Innere Andelains zu begleiten, obwohl die klare Reinheit und Gesundheit dessen, was am anderen Ufer des Mithil lag, für ihre arg belasteten Nerven deutlich spürbar gewesen war; sie hatte die schiere Kraftfülle gefürchtet, die jener Region innewohnte. Zum Teil war ihre Furcht allerdings auf Hollians Grausen vor Andelain zurückzuführen gewesen, Hollians Überzeugung, Andelain sei ein Landstrich, in dem Menschen zwangsläufig den Verstand verlieren mußten. Der größere Teil hatte aber auf Lindens eingefleischtem Mißtrauen gegen all das beruht, für das ihre sensitivierten Sinne sie so anfällig machten. Das Sonnenübel hatte sich in sie gefressen wie ein Leiden, akut und quälend wie eine Erkrankung; und als Vorstellung einer Krankheit hatte sie es begreifen können. Und irgendwie hatte sie es als passend für sich empfunden; in irgendeiner Weise hatte es die Beschaffenheit ihres ganzen bisherigen Lebens angemessen abgerundet. Doch aus genau diesem Grund hatte sie sich durch Andelain um so tiefgreifender bedroht gefühlt; es hatte ihre heikle, mühsam aufrechterhaltene Selbstbeherrschung gefährdet. Sie hatte Zweifel daran gehegt, daß etwas Gutes aus etwas hervorgehen konnte, das mit solcher Stärke auf sie wirkte. Und später hatte Covenant ihr die Äußerungen der toten Elena wiedergegeben. Es schmerzt mich , hatte der einstige Hoch-Lord gesagt, daß die Frau, die deine Begleiterin ist, das Herz nicht hatte, um dir zu folgen, denn du hast vieles zu erdulden. Doch sie muß zur rechten Zeit zu sich finden. Behüte sie, Geliebter, auf daß sie zuletzt uns alle heilen mag. Und der Forsthüter hatte gemeint: Die Frau aus deiner Welt müßte hier finstere Schatten werfen. Schon die Erinnerung an solche Dinge wiederbelebte Lindens Furcht. Eine Furcht, deren Bedeutung Klarheit erhielt durch die Lust und Finsternis in Linden, als der Gibbon-Wütrich sie berührt und bekräftigt hatte, sie sei schlecht.
Aber jetzt war Linden eine andere Frau. Sie hatte die nützliche, heilsame Seite ihrer Sinneswahrnehmung entdeckt, Zugang zum Schönen gefunden. Sie hatte Covenant die Geschichte ihrer Eltern erzählt, ihr Herz in bestimmtem Umfang von altem Schmerz befreit. Sie hatte gelernt, ihre Gier nach Macht beim wirklichen Namen zu nennen. Und sie wußte, was sie wollte. Covenants Liebe. Und die Beseitigung des Sonnenübels. »Versuch mal, mich aufzuhalten!« entgegnete sie mit grimmigem Lächeln.
Sie erwartete, ihre Antwort werde ihn erleichtern. Aber er nickte lediglich, und sie sah, daß er noch nicht
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