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Der Ring der Kraft - Covenant 06

Der Ring der Kraft - Covenant 06

Titel: Der Ring der Kraft - Covenant 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Wahrnehmung, empfand Schwingungen einer Lebendigkeit, die so eindringlich-eindrucksvoll waren wie die unverdorbene Luft. Linden war dem Sonnenübel so lange ausgesetzt gewesen, daß sie vergessen hatte, wie sich die Gesundheit der Erde anfühlte.
    Aber als sie mit durch und durch sensitiven Nerven auf dem Grasboden stand, erkannte sie, daß das, was sie spürte, mehr war als gewöhnliche Gesundheit. Es handelte sich um eine Quintessenz und Verkörperung des Gesetzes, der Naturgesetze des Landes, eine Vergegenständlichung der Vitalität, die das Leben kostbar und das Land begehrenswert machte; ein Avatar des Frühlings, der Wunderbarkeit des Sommers, der Pracht des Herbstes und des winterlichen Friedens. Das Gras unter Lindens Füßen gedieh und leuchtete, schien ihr eine erhöhte Statur zu verleihen. Der Saft schwoll in den Bäumen wie Feuer, lebenskräftig und wohltätig. Überall blühten Blumen und bestreuten die Erde mit lebhafter Farbigkeit. Jeder Atemzug, jede Geruchswahrnehmung, jede Empfindung schienen über alles erträgliche Maß hinaus von Kraftfülle zu strotzen – und doch drängten sie darauf, angenommen zu werden. Jede neue außergewöhnliche Perzeption führte Linden zu weiteren Schönheiten, statt sie zu enttäuschen, zu entmutigen, erhob sie wie inmitten einer Flut der Verzückung aus sich selbst.
    Lachen und Weinen kamen gleichzeitig in ihr auf, ohne daß sie ihnen hätte Ausdruck geben können. Hier war Andelain, das Herz des Landes, das Covenant liebte. Er lag auf dem Gesicht im Gras, die Arme ausgebreitet, als drücke er den Untergrund an sich; und Linden begriff, daß diese Hügel alles änderten. Nicht in ihm, sondern in ihr. Viele Dinge verstand sie nicht; eines allerdings war völlig klar: Das Sonnenübel hatte hier keine Macht. Hier war sie davon frei. Und das Gesetz, das soviel gesundes Leben schuf, war jeden Preis wert, den irgendein Herz zu zahlen die Bereitschaft hegte.
    Diese Einsicht kam über Linden wie ein heller, reiner Sonnenaufgang. Das war die positive Überzeugung, an der sie so lange Bedarf gehabt hatte. Jeden Preis. Für die Bewahrung der Schönheit des Landes. Absolut jeden Preis.
    Pechnase saß im Gras und blickte begierig zu den Hügeln hinauf, die Miene voller Staunen. »Niemals hätte ich gewähnt ...«, murmelte er vor sich hin. »Nimmer geglaubt ...« Die Erste stand hinter ihm, die Fingerspitzen sachte auf seine Schultern gestützt. Ihre Augen leuchteten wie die Spiegelungen der Sonne, die auf der munteren Oberfläche des Seelentrostflusses tanzten. Hinter Lindens Rücken hatten inzwischen Hohl und Findail sich eingefunden. Dem Dämondim-Abkömmling war keine Reaktion auf Andelain anzumerken; Findails habituelle Griesgrämigkeit dagegen war ein wenig gemildert, und er atmete die frische Luft tief in seine Lungen ein, als wüßte er so gut wie Linden, welche Bedeutung sie besaß.
    Vom Sonnenübel erlöst und gänzlich exaltiert, wäre Linden am liebsten losgelaufen; sie verspürte den Wunsch, sich zu verausgaben wie ein Kind mit überschüssigen Kräften, die Hügel hinaufzurennen und sich auf der anderen Seite hinabpurzeln zu lassen, umherzutollen, alles zu sehen, alles auszukosten, mit ihren zerrütteten Nerven und müden Gliedmaßen weit in die köstliche Heilsamkeit dieser Region hineinzustürmen, in der übergroßen Tröstlichkeit von Andelains Gesundheit zu schwelgen. Sie entfernte sich um einige eilige Schritte vom Fluß, drehte sich dann um, wollte Covenant zurufen, er solle ihr folgen.
    Er war aufgestanden, aber er schaute nicht herüber. Und in seinem Gesicht war keine Freude zu erkennen. Seine Aufmerksamkeit galt Sunder.
    Sunder! stöhnte Linden bei sich auf, augenblicklich beschämt, weil sie ihn in ihrer persönlichen Hingerissenheit vergessen hatte. Er stand am Ufer und drückte Hollian aufrecht an seine Brust, sah nichts, begriff nichts von all der Schönheit rundherum. Eine Zeitlang rührte er sich überhaupt nicht. Dann kehrte ein ansatzweiser Brennpunkt in seinen Blick zurück, und er stolperte vorwärts. Mittlerweile zu schwach, um den vom Tod schweren Leichnam der Sonnenseherin vom Erdboden zu heben, schleifte er ihre Gestalt unbeholfen vor sich mit durchs Gras. Aschfahl aus Hunger, Erschöpfung und Verlust, brachte er die Tote zum nächststehenden Aliantha -Strauch. Dort legte er sie nieder. Unter seinem stechpalmenartigen Laub war der Strauch dicht mit nahrhaften Schatzbeeren besetzt. Die Sonnengefolgschaft hatte sie zu Gift erklärt; doch

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