Der Ring der Kraft - Covenant 06
Autorität an. »Ur-Lord und Übelender, Zweifler und Erdfreund, du hast dir die Würde dieser Namen verdient. Tritt beiseite.« Covenant starrte den Forsthüter an; seine Haltung insgesamt erbat Aufschluß. »Du darfst dich nicht einmischen. Das Land befindet sich in harter Not, und auch andere als du haben an den Härten zu tragen. Kein gewaltsamer Tod ist sanft, doch verspüre ich diesbezüglich die dringlichste Notwendigkeit, die du achten mußt. Auch dies Gesetz muß gebrochen werden.« Der Mond stand, scharf wie eine Sichel, hoch über den Hügeln; doch sein Schein glich lediglich einem fahlen Echo der Musik, die wie Tröpfchen hellen Taus an der Erhebung schillerte. In den Stämmen der Bäume erklang dasselbe Lied, das auf ihren Blättern glomm. »Thomas Covenant«, wiederholte der Forsthüter, »tritt beiseite.« Nun ließ das Bedauern, das in der Melodie Ausdruck fand, sich nicht mehr überhören. Und dahinter flimmerte ein Anklang von Furcht. »Covenant, ich bitte ich«, fügte Caer-Caveral mit gänzlich anderer Stimme hinzu – der Stimme des Mannes, der er einmal gewesen war. »Tu's für mich! Was auch geschieht, misch dich nicht ein!«
Covenants Kehle zuckte. »Ich weiß nicht, was ...«, begann er. Was das soll, lautete wahrscheinlich der Rest des Satzes. Dann aber gab er sich willentlich einen inneren Ruck und trat dem Forsthüter aus dem Weg.
Stattlich und würdevoll kam Caer-Caveral den Hang herunter und auf Sunder zu. Der Steinmeister stand da, als sähe er die hochgewachsene, weißliche Gestalt nicht, höre keinen Gesang. Hollians Leichnam drückte er aufrecht an sein Herz, das Gesicht der Toten lehnte an seiner Brust. Doch Sunder hielt seinen Kopf hoch erhoben; seine Augen beobachteten den Hang, den Caer-Caveral herabschritt. Ein Schrei, der keine Stimme besaß, verzerrte die Miene des Steinmeisters. Langsam, als handle sie im Traum, drehte sich Linden seitwärts, um in dieselbe Richtung wie Sunder zu schauen. Als Covenant das gleiche tat, emanierte er eine heftige Gemütsbewegung.
Über den Gefährten verdichteten sich Mondschein und Forsthüter-Glanz zu einer menschlichen Gestalt. Silberhell, zunächst durchsichtig, dann festerer Natur, näherte sich ihnen, als wäre sie eine Inkarnation von Vergänglichkeit und Sehnsucht, eine Frau. Ein Lächeln wölbte ihre zarten Lippen; das Haar umwehte ihre Schultern wie eine Andeutung dunkler Schwingen und von Schicksalhaftigkeit; und sie gleißte wie Verlust und Hoffnung. Die Sonnenseherin Hollian, Sunders Tote, war gekommen, um ihn zu begrüßen.
Ihr Anblick beschleunigte Sunders Atem zu heftigem, unregelmäßigem Keuchen, als bohre ihm der Tod den Stachel ins Herz. Hollian strebte an Covenant, Linden und den Riesen vorbei, ohne auf ihre Anwesenheit zu achten. Vielleicht waren sie für sie gar nicht zugegen. Aufrecht dank der Ehre ihres Gerufenseins, der Bedeutsamkeit des Anlasses, begab sie sich an die Seite des Forsthüters, blieb stehen, Sunder und dem eigenen Leichnam zugekehrt. »Ach, Sunder, mein Geliebter«, sagte sie leise. »Vergib meinen Tod! Mein Fleisch war's, das dich im Stich ließ, nicht meine Liebe!«
Unfähig zu irgendeiner Erwiderung, keuchte Sunder nur immerzu weiter, als werde ihm das Leben aus dem Leibe gerissen. Hollian wollte etwas hinzufügen; aber der Forsthüter hob seinen knotigen Stab, gebot ihr zu schweigen. Er schien sich überhaupt nicht zu regen, keinerlei Handlungen zu vollziehen; dennoch umwallte die Musik plötzlich Sunder wie ein Wirbeln aus Funken von Mondlicht, und der Steinmeister torkelte. Irgendwie nahm der Forsthüter ihm Hollian ab; Caer-Caveral legte die Tote behutsam in seine linke Armbeuge. Der Forsthüter beanspruchte ihren steifen Tod für sich selbst. Der Gesang ertönte höher, durch Verlustgefühl und Bangen schärfer.
Wild riß Sunder den Krill aus seinem Wams, unter dem die Waffe an seinem versengten Bauch geruht hatte. Die silberne Leidenschaft, in der das Juwel der Waffe leuchtete, durchdrang die Musik. Alle Vernunft war aus Sunder gewichen. Während er um Atem rang, schwang er Loriks Klinge, drohte dem Forsthüter, verlangte stumm, daß Hollian ihm wiedergegeben werde. Die Zurückhaltung, zu der Covenant von Hile Troy aufgefordert worden war, brachte ihn ins Schlottern.
»Nun naht das Ende«, flötete Caer-Caverals Stimme. Das Singen, mit dem er seine Worte übermittelte, war gleichzeitig exquisit schön und unerträglich. »Fürchtet nicht um mich. Obwohl's eine Härte ist, muß es sein. Ich
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