Der Ring der Kraft - Covenant 06
Beispielhaftigkeit des Forsthüters zu messen. Erneut fühlte sie sich an die Art und Weise erinnert, wie er sich damals Joans angenommen hatte. Aber Linden war nicht seine Ex-Frau; sie hielt seinem Blick offen stand. Die Gesundheit der Hügel ringsherum machte sie stark. Und was er sah, beruhigte ihn anscheinend. Allmählich lockerten sich seine Gesichtszüge. »Gott sei Dank, daß du noch da bist«, sagte er, als spräche er halb mit sich selbst. Dann hob er die Lautstärke seiner Stimme. »Wir sollten aufbrechen. Wo stecken die Riesen?«
Linden widmete ihm einen langen Blick, den Sunder und Hollian verstanden hätten, ehe sie sich umdrehte, um nach der Ersten und Pechnase Ausschau zu halten.
Die Riesen waren nirgendwo zu sehen. Hohl und Findail warteten noch so in der Nähe der Erhebung, wie sie die ganze Nacht hindurch dort herumgestanden hatten; die Riesen hingegen befanden sich offenbar woanders. Doch als Linden auf die Erhebung stieg, sah sie die zwei Riesen auf der anderen Seite eines flachen Tals aus einem Hain zum Vorschein kommen, in den sie sich zurückgezogen haben mußten, um der Zweisamkeit zu pflegen. Auf Lindens Winken reagierten die beiden mit Zurufen und indem sie ostwärts wiesen, zu verstehen gaben, daß sie sich in dieser Richtung mit ihr und Covenant wiederzutreffen gedachten. Vielleicht vermochten sie mit ihren scharfen Augen Lindens Lächeln zu erkennen, mit dem sie ihre Freude darüber ausdrückte, daß die Riesen Andelain als sicher genug empfanden, um ihre Gefährten unbewacht allein zu lassen.
Müde kam Covenant zu Linden, ausgemergelt durch die Belastungen und mangelhaften Schlaf. Doch beim Anblick der Riesen – oder Hügel, die wie ein angenehmes Gewelle im Wind vor ihm ausgebreitet lagen – lächelte auch er. Selbst aus der Entfernung war das Wiederaufleben von Pechnases ursprünglichem Gemüt aus der Weise ersichtlich, wie er an der Seite seiner Gattin in einer Gangart einherhinkte, als treibe ein Komödiant derben Spaß. Und die schwungvollen Schritte der Ersten zeugten von Eifer und zärtlicher Erinnerung an die vergangene Nacht. Sie waren Riesen in Andelain. Schon die bloße Weite der Hügellandschaft bereitete ihnen Behagen.
»Sie sind keine Bewohner des Landes«, sann Covenant. »Vielleicht hat Coercri gereicht. Vielleicht werden sie hier keinen Toten begegnen.« Als er an die erschlagenen Entwurzelten dachte – und an das Caamora , das er ihnen in Herzeleid gewährt hatte –, verriet die Tonlage seiner Stimme gleichzeitig Schmerz und Stolz. Dann jedoch verfinsterte sich seine Miene wieder; und Linden sah, daß er sich an Salzherz Schaumfolger erinnerte, der für Covenants einstigen Sieg über den Verächter sein Leben hingegeben hatte.
Linden hätte ihm gerne gesagt, er solle sich nicht sorgen. Möglicherweise hatte der Kampf um Schwelgenstein Pechnase mit Verzweiflung und Unheil vertraut gemacht. Trotzdem glaubte sie, daß er einmal das Lied finden werde, das er brauchte. Und die Erste war eine Schwertkämpferin, so verläßlich wie ihre Klinge. Sie würde sich nicht ohne weiteres in den Tod schicken. Doch Covenant verfügte über seine eigenen, eigenartigen Quellen, die seine Gewißheit speisten, und bedurfte keiner Ermutigung durch Linden. Mit erneuerter Entschlossenheit gab er seine Halbhand entschieden in Lindens Griff, zog sie mit sich nach Osten, schlug einen Weg durch die Hügel ein, der sie schließlich mit den Riesen wiedervereinen mußte. Einen Moment später kamen Findail und Hohl nach, folgten wie stets der Zielrichtung ihres Schicksals.
Für eine ganze Weile stapfte Covenant forsch dahin, die verrußte Stirn der Sonne entgegengehoben, in die bekömmliche Atmosphäre der Hügel gereckt. Aber am ersten Bach, an den sie gelangten, blieb er stehen. Er zog ein Messer, das er aus Schwelgenstein mitgenommen hatte, aus dem Gürtel. Er beugte sich über das frische Wasser, trank ausgiebig, näßte dann seinen struppigen Bart und machte sich daran, ihn zu rasieren.
Linden schaute ihm mit angehaltenem Atem zu. Er hielt die Klinge mit gefühllosen Fingern; und aus Müdigkeit regten sich seine Muskeln nur unbeholfen. Aber Linden verzichtete auf jede Einmischung. Sie spürte, daß in dem Risiko für ihn eine notwendige Übung lag. Doch sobald er fertig war, seine Wangen und den Hals freigeschabt hatte, konnte sie ihre Erleichterung nicht verbergen. Sie kniete sich neben ihn, schöpfte mit beiden Händen Wasser und wusch ihm den Ruß von der Stirn, darauf bedacht, die
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