Der Ring der Kraft - Covenant 06
undurchschaubaren Andeutungen, die in dem Mal zum Ausdruck zu kommen schienen, zu tilgen.
Eine Eiche mit gewaltig dickem Stamm breitete ihr weites Blätterdach über diesen Abschnitt des Bachs. Zufrieden mit dem veränderten Aussehen von Covenants Gesicht, zog Linden Covenant mit sich, lehnte sich in Schatten und Gras an den Baum. Der Wind umstrich ihre Beine wie sanfte Kosungen eines Liebhabers; und sie hatte es nicht eilig, wieder zu den Riesen zu stoßen.
Plötzlich jedoch spürte sie aus dem Baum einen stummen Schrei, ein Aufzucken von Pein, das bis ins Erdreich hinabzitterte, die Luft selbst zu erfassen schien. Linden schrak von Covenants Seite und sprang auf, versuchte bestürzt die Ursache für den Schmerz der Eiche zu entdecken. Das Schreien schwoll an. Einen Augenblick lang vermochte Linden dafür keinerlei Grund zu erkennen. Dennoch schüttelte irgendein Unheil die Äste; die Blätter kreischten; dumpfes Bersten drang durchs Kernholz der Eiche. Die Hügel rings um den Baum wirkten, als konzentrierten sie sich, als wären sie über die Vorgänge entsetzt. Aber Linden sah nichts, ausgenommen die Tatsache, Hohl und Findail waren verschwunden.
Da löste sich, zu plötzlich, um Überraschung auszulösen, der Ernannte aus dem gepeinigten Holz. Als er sich von Eiche wieder in Fleisch und Blut verwandelte, spiegelte sein grämliches Gesicht widerwillig Scham wider. Trotzig und gereizt wandte er sich an Linden und Covenant. »Ist er etwa kein Dämondim-Sproß?« meinte er, als hätte jemand ungerechtfertigte Vorwürfe gegen ihn erhoben. »Sind seine Erschaffer nicht Urböse gewesen, die dem Verächter mit ihrem Selbstabscheu stets zu Diensten gewesen sind? Wolltet ihr ihm zu meinem Nachteil Vertrauen schenken? Er muß erschlagen werden.« Hinter seinem Rücken gellte die Qual der Eiche zu schrillem Heulen empor.
»Du Schuft!« brauste Linden auf, die erriet, was Findail getan hatte, und sich doch fürchtete, es zu glauben. »Du bringst den Baum um! Macht's dir nicht mal was aus, daß wir hier in Andelain sind – der einzigen Gegend im Land, in der die Natur noch ihren Frieden haben kann?«
»Linden?« drängte Covenant sie um Aufklärung. »Was ...?« Weil ihm ihr Wahrnehmungsvermögen fehlte, merkte er nichts von der Not des Baums. Aber er brauchte nicht auf eine Auskunft warten. Ein durchdringender Schmerz wie von einem Axthieb erreichte Lindens Nerven; und der Baumstamm barst in einem Hagel von Splittern auseinander. Hohl trat aus dem Kernholz. Ungeschoren kam er aus dem schlotternden Baum, ließ ihn praktisch als Ruine zurück. Er sah weder Findail noch sonst jemanden an. In seinen schwarzen Augen stand nichts als Dunkelheit.
Linden sank im Gras auf die Knie, schlang ihre Arme um den mitempfundenen Schmerz. Für einen Moment lag eine Art von Lähmung des Kummers über den Hügeln. »Das ist ja schrecklich«, keuchte schließlich Covenant. Er wirkte so durchgeschüttelt wie das zum Sterben verurteilte Geäst. »Ich hoffe, du bist wenigstens stolz auf dich.«
Findails Entgegnung schien aus weiter Ferne zu kommen. »Schätzt du ihn so hoch? Dann bin ich fürwahr verloren.«
»Das ist mir gottverdammt scheißegal!« Covenant eilte an Lindens Seite. Seine Hände ergriffen ihre Schultern, stützten sie, gaben ihr Halt gegen die gewaltsamen empathischen Eindrücke, die vom geborstenen Holz ausgingen. »Ich traue keinem von euch beiden. Erlaube dir so was nie wieder!«
Daraufhin zeigte der Elohim Härte. »Ich werde tun, was ich tun muß. Von Anfang an habe ich geschworen, daß ich seinen Zweck nicht dulden werde. Kastenessens Fluch kann mir ein solches Verhängnis nicht aufzwingen.« Er nahm die Gestalt eines Falken an und flatterte durch die Wipfel davon. Linden und Covenant blieben inmitten von Holztrümmern zurück. Hohl stand vor ihnen, als wäre nichts geschehen.
Noch für etliche Augenblicke machte die Pein des Baums Linden handlungsunfähig. Aber allmählich schloß sich Andelain um die Stätte der Zerstörung, verströmte neue Gesundheit in die Luft, die Linden atmete, verbreitete aus dem Gras grüne Vitalität aufwärts, löste den verkrampften Nachhall der Qual. Langsam klärte sich Lindens Kopf. Herrgott noch mal , beklagte sie sich stumm. Mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Covenant wiederholte mehrfach ihren Namen; durch seine gefühllosen Finger spürte sie seine Besorgnis. Linden stemmte sich auf die tiefen Grundfesten der Hügel, nickte ihm zu. »Mit mir ist alles in Ordnung.« Ihre Stimme
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