Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
minutenlang und ging weiter. »Vielleicht sollte ich Carla von der Liste streichen«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
»Bleiben nur noch zwei. Was ist mit ihnen?«
»Es könnten inzwischen mehr sein«, konterte Robbie. »Ich konnte zwei Tage lang meine E-Mails nicht einsehen.«
E-Mails. Interneteinträge. Eine Mieterin auszusuchen, ehe man sie kennen gelernt hatte. In was für einer veränderten Welt wuchs sein Sohn heran, verglichen mit Michaels eigener Kindheit vor achthundert Jahren.
»Möchtest du morgen mit mir nach Gu Bràth gehen und meine E-Mails lesen?«, fragte Robbie, als er sich unter einem geneigten Ahornschössling duckte.
»Nein, Robbie. Diese Verrücktheiten überlasse ich dir und Grace. Ich muss mit Weihnachtsvorbereitungen anfangen und mich auf den Schnee einstellen, der bald kommen wird. Und ich muss John beschäftigen, um ihm über seinen Verlust hinwegzuhelfen.«
»Grampy wird doch nicht nach Hawaii zu seinem Sohn ziehen, oder?«, fragte Robbie.
Michael stand im Begriff zu antworten, doch plötzlich spürte er wieder den Druck auf seiner Brust. Es lief ihm kalt über den Rücken, seine Nackenhaare sträubten sich. Robbies Tier – die Eule, die sein Sohn Mary nannte – war wieder an ihnen vorüber durch den Wald geglitten. Die Schneeeule ließ sich auf einem Ast vor ihnen nieder, und verdammt, die Luft um den Vogel erglühte unter der Wärme eines sanften blauen Lichtes.
Das gleiche blaue Licht, das Michael manchmal in Robbies Zimmer wahrnahm, wenn er vor dem Zubettgehen nach ihm sah.
Dieses blaue Licht, das er vor acht Jahren auf West Shoulder Ridge gesehen hatte, als der Zauber des Druiden Grace MacKeage rettete.
Genau das gleiche Blau wie das von Mary Sutters schönen Augen.
2
Los Angeles, Kalifornien, 22. Oktober
E lizabeth Hart durchschritt den Eingang ihres Stadthauses und ließ ihren Aktenkoffer ohne Rücksicht auf den Inhalt aus der Hand gleiten. Mit der Hüfte schob sie die Tür zu, schleuderte die Schuhe von sich und ließ ihren Regenmantel auf den Boden fallen, als sie den Flur entlang zur Küche lief.
Wohin hatte sie nur die Flasche mit dem Scotch gestellt?
Elizabeth durchsuchte etliche Schränke und entdeckte die ungeöffnete Flasche schließlich im hintersten Winkel der Speisekammer. Sie nahm ein Glas aus der Spüle, öffnete den Kühlschrank und füllte das Glas mit Eis. Mit unsicherer Hand goss Elizabeth die goldene Flüssigkeit fast bis zum Rand. Sie nahm einen Schluck, hustete, als ihr die Luft wegblieb, und trug sodann Glas und Flasche ins Wohnzimmer.
Nur vom Schein der durch die Fenster einfallenden Straßenbeleuchtung geleitet, ging Elizabeth zur Couch und setzte sich. Sie stellte die Scotch-Flasche auf den Kaffeetisch und griff nach der Fernbedienung.
Zurückgelehnt nippte sie wieder am Glas, drückte auf die Fernbedienung und sah zu, wie die Flammen zwischen den perfekt angeordneten keramischen Holzscheiten aufloderten. Künstliche Glut glomm auf, und Elizabeth spitzte die Ohren … um nichts zu hören.
Bis auf ein leises Zischen der Zündung war das Feuer lautlos, geruchlos und sehr, sehr sauber.
Als sie das Stadthaus vor fünf Jahren gekauft hatte, war ihre Wahl nicht darauf gefallen, weil es so günstig zu ihrer Arbeitsstelle lag oder weil ihr die Architektur gefiel oder gar wegen der exklusiven Gegend. Sie hatte es gekauft, weil es einen Kamin besaß.
Nur war damals der Kamin mit Holz zu befeuern gewesen.
Dann hatten alle sie bearbeitet – ihre Mutter, ihr Vater und der Bursche, mit dem sie sich traf. Ob es Paul oder Greg gewesen war, daran konnte sie sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Holzfeuer wären schmutzig, machten Arbeit und schlechte Luft, wurde ihr eingehämmert. Eine Gasheizung würde viel besser zu ihrem Lebensstil passen.
Grammy Bea war ihre einzige Verbündete gegen alle anderen gewesen. Da sie aber eine Autostunde weit entfernt in den Bergen lebte, hatte ihre Unterstützung gegen den Druck ihrer Eltern und ihres Freundes nichts ausrichten können. Der Gaskamin war vor Elizabeths Einzug installiert worden.
Ein Holzfeuer hingegen hatte etwas Urtümliches an sich. Während ihrer College-Zeit und ihres Medizinstudiums hatte Elizabeth sich in den Winterferien wochenlang bei Grammy Bea in den Bergen vergraben. Zündholz an Papier zu halten, das Knistern des Feuers zu hören, die Asche hinauszutragen, waren tägliche Rituale, wie sie Elizabeth liebte. Ein Holzfeuer bedeutete Wärme, sowohl physisch als auch psychisch, es
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