Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
dass ich bis zu seiner Verletzung vordringen konnte.«
Offenbar ratlos, was er mit einer Frau anfangen sollte, die sich bei ihm ausweinte, tätschelte Daar ihren Rücken mit einer Hand, während er sie mit der anderen wegzuschieben versuchte. Schließlich ging er mit ihr zum Tisch und drückte sie auf einen Stuhl. Mit gesenktem Blick sprach Libby weiter.
»Ich konnte versuchen, was ich wollte, es nützte nichts. Es half auch nicht, dass Michael da war und mich hielt. Ich schaffte es nicht, zu Alan durchzudringen.« Sie schaute auf. »Fast war es, als würde er sich gegen mich zur Wehr setzen. Aber warum hätte er das tun sollen? Er litt Schmerzen. Wollte er denn nicht geheilt werden?«
Daar setzte sich auf einen Stuhl neben sie und kratzte, die Augen nachdenklich zusammenkneifend, seinen Bart. »Natürlich wollte er Heilung. Sie sagen, Sie hätten es versucht, konnten ihn aber nicht erreichen? Und dem Jungen konnten Sie helfen?«
Libby nickte. »Darren hatte sich den Arm gebrochen. Ich konnte in ihn eindringen, konnte den Bruch sehen und ihn heilen. Und ich konnte auch Alans Verletzung sehen, sie jedoch nicht erreichen. Die Farben warfen mich immer wieder zurück.«
Daar schwieg. Er stand auf, ging zum Ofen und goss eine Tasse Kaffee ein. Er stellte sie vor Libby auf den Tisch. Sie griff danach, blies den Dampf weg und schlürfte vorsichtig die schwarze, duftende Brühe.
»Schildern Sie mir, was geschah«, sagte der Alte und setzte sich wieder neben sie. »Ich kenne die Brewers. Sie sagen, sie hätten einen Unfall gehabt?«
»Alan und der kleine Darren fielen vom Dach, als sie die Weihnachtsbeleuchtung anbringen wollten.«
»Und der kleine Darren hat sich den Arm gebrochen?«
»Und Alan hat einen Wirbelbruch erlitten und sich eine Schulter ausgekegelt«, ergänzte sie. »Ich hatte weder Instrumente noch sonst etwas dabei, und der Rettungswagen ließ sich Zeit. Deshalb versuchte ich meine Gabe einzusetzen.«
»Und Sie schafften es nicht«, schloss er leise und runzelte nachdenklich die Stirn. »Was genau haben Sie gesehen, Libby? Sind Sie in seinen Körper eingedrungen?«
»Ja, wie auch bei den anderen Fällen war ich tatsächlich imstande, in ihn einzudringen. Ich hörte seinen Herzschlag und seine Atemzüge, ich empfand seinen Schmerz. Und ich sah genau, wo er sich verletzt hatte, und wusste, wie man ihm helfen konnte.«
»Und als Sie es versuchten? Was passierte da?«
»Nichts. Ich sah den Bruch in der Wirbelsäule, konnte aber nicht näher herankommen. Die Farben griffen mich ständig an, trieben mich zurück.«
»MacBain war dabei? Und trotzdem konnten Sie nichts ausrichten?«
»Michael hat mich an den Schultern festgehalten.«
Wieder stand Daar auf und ging zum Kamin. Er stocherte eine Weile schweigend im niedrig brennenden Feuer, dann drehte er sich um und sah sie mit zusammengezogenen Brauen an.
»Nicht jedem ist es bestimmt, geheilt zu werden«, sagte er leise. »Und wenn es ihnen bestimmt ist, muss es von ihnen selbst kommen und nicht von außen.«
»Aber ich hätte ihm eine Monate dauernde Rehabilitation ersparen können.«
»Ja. Aber er war für Ihre Gabe nicht offen. Ich kenne Alan Brewer als stoischen, zurückhaltenden Menschen. Er ist gottesfürchtig, was aber nicht immer gleichbedeutend mit wundergläubig ist.«
»Soll das heißen, dass meine Gabe nur bei Gläubigen wirkt?«
»So etwa«, sagte er und nickte. »Wahrscheinlicher ist, dass Brewer einfach nicht erfasst, was nicht greifbar ist. Wenn er es nicht berühren, riechen oder sehen kann, dann existiert es für ihn nicht.«
»Aber ich glaube nicht, und ich besitze die Gabe.«
»Ja, aber Sie haben sich der Möglichkeit nicht verschlossen. Sie wirken bei Ihrer Arbeit täglich Wunder, und Sie wissen – tief drinnen –, dass Sie bei Ihrer Arbeit nicht allein sind.«
Sein Lächeln war warm. »Als Ärztin arbeiten Sie mit Ihrem Wissen vom menschlichen Körper, doch ist jeder Eingriff, den Sie vornehmen, ein Akt des Glaubens, oder etwa nicht? Nicht nur des Glaubens an die Wissenschaft … es gibt doch noch etwas, das Ihre Hand bei Operationen führt.«
»So habe ich es nicht gesehen«, gestand Libby, die in ihre Tasse starrte. Dann blickte sie den alten Mann an. »Ich habe getan, was ich zu tun hatte.«
»Und als gestern Ihre Gabe versagt hat, was haben Sie da getan?«
»Ich habe auf mein medizinisches Wissen zurückgegriffen.«
»Ach. Wird Alan Brewer wieder gesund?«
»Ja. Ich konnte sehen, dass es kein schwerer Bruch ist
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