Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
zu sagen, als er hinter das Steuer glitt, den Wagen startete und die Ausfahrt entlangfuhr. An der Asphaltstraße angelangt, bog er statt nach links nach rechts ab und fuhr zu ihrem Haus.
Libby war dankbar für sein Schweigen. In ihrem Kopf drehte sich alles, ihr Magen rebellierte, und ihr Zittern hörte nicht auf. Erst als Michael die Heizung einschaltete und ein warmer Luftschwall sie traf, merkte Libby, dass sie fürchterlich fror.
Wahrscheinlich sollte sie etwas sagen.
Aber was?
Sie blickte nach links und konnte gerade noch Michaels Profil im schwachen Licht des Armaturenbrettes ausmachen, während er die Fahrbahn beobachtete. Wortlos hob er den rechten Arm. Und ebenso wortlos ließ Libby ihren Gurt aufklicken und rutschte hinüber, bis sie an ihn stieß. Sie schloss die Augen mit einem Seufzer und schmiegte sich in seine innige Umarmung.
Sie hatte die letzten zwei Stunden dagelegen und zur Decke gestarrt, bis die leuchtenden Sterne zu verschwommenen Lichtpünktchen wurden. Libby sah auf den Wecker neben dem Bett, verwünschte die Tatsache, dass es erst in drei Stunden Tag wurde, und starrte wieder die Sterne an.
Er wusste es.
Michael wusste um ihr Geheimnis. Er war letzten Abend bei ihr gewesen und hatte ihr Halt geboten, während sie versuchte, Alan Brewer zu helfen. Und er hatte Darren festgehalten, als sie den Armbruch des Jungen heilte. Michael musste die Energie gespürt haben, die sie durchströmte, musste genau gesehen haben, was sie sah. Und ihm musste klar gewesen sein, was passierte.
Jetzt wusste er es also.
Und er hatte kein Wort gesagt. Er hatte sie nach Hause gefahren, sie ins Bett gesteckt und sich mit einem keuschen Kuss verabschiedet.
Was hatte er sich wohl dabei gedacht? Lag er nun in seinem Bett, blickte zu seiner nackten Zimmerdecke hinauf und fragte sich, was für eine absonderliche Kreatur sie war?
Libby versuchte sich vorzustellen, was sie empfinden würde, wenn es Michael wäre, der diese Gabe hatte. Würde sie sich vor ihm fürchten? Würde sie ihn lieben können, wenn die Rollen vertauscht wären?
Immerhin hatte auch er ein Geheimnis, und dabei ging es nicht nur darum, wer ihr Bett gemacht hatte. Michael umgab ein Geheimnis, das mit seiner Vergangenheit zusammenhing. Vor zwölf Jahren war ihm etwas zugestoßen, das den starken, selbstsicheren Mann veranlasst hatte, sich in die Berge von Maine zurückzuziehen.
Er wäre Krieger gewesen, hatte er gesagt. Hatte er so schreckliche Dinge mitangesehen oder getan, dass er nun die Einsamkeit suchte?
Und welche Rolle spielte Daar? Michael schien die Behauptung des Priesters, er sei ein Zauberer, zu akzeptieren. Er schien den Alten sogar zu respektieren.
Es war aber nicht so, dass er Daar gefürchtet hätte. Er war nur auf der Hut vor ihm und ließ in seiner Wachsamkeit nie nach.
Wollte er nicht von ihrem Geheimnis sprechen, weil er von seinem nichts enthüllen wollte?
Verdammt, was für ein Chaos.
Libby schlug die Decken zurück und stolperte ins Bad, wobei sie beinahe auf Trouble trat, der in dem Moment herausschoss, als sie die Tür öffnete. Guardian war ihm auf den Fersen. Sie wusste, dass die zwei Jungs hinauf zu ihrer Schwester huschten, die bei Kate zu schlafen pflegte.
Libby wusch sich das Gesicht, brachte ihr Haar in Form und putzte sich die Zähne. Wieder im Schlafzimmer, zog sie sich einige Schichten warmer Sachen an. In der Küche fand sie Papier und einen Stift und schrieb ihrer Mutter eine Nachricht. Kate solle sie nicht vor Mittag im Weihnachtsladen erwarten. Libby zog Stiefel, Jacke, Mütze und Handschuhe an, fand ihre Taschenlampe und trat hinaus auf die Veranda.
Da blieb sie minutenlang stehen und starrte zum schwarzen und schweigenden TarStone Mountain hinauf, der wie ein schlafender Riese zum gestirnten Himmel emporwuchs.
Er sah verdammt kalt aus. Und beängstigend.
Er sah auch aus, als könne man sich auf ihm gut verirren.
Libby wagte nicht, sich ihre Chancen auszurechnen, Daars Hütte zu finden, aus Angst, sie könnte plötzlich Vernunft annehmen und zu Hause bleiben. Aber sie musste mit dem Alten sprechen, ehe ihr Verstand tatsächlich explodierte. Sie knipste also ihre Taschenlampe an und lief über den Hof und in den Wald.
Sie musste immerzu an den vergangenen Abend denken, konnte nicht über die Tatsache hinwegkommen, dass sie für Alan Brewer nichts hatte tun können.
Warum war das so? Wozu war eine Gabe gut, die nur manchmal wirkte? Warum hatte sie Darren heilen können, nicht aber seinen
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