Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
Vater?
Sie musste mit jemandem sprechen, und es gab nur einen Menschen, an den sie sich wenden konnte, einen alten Priester, der Blumen wieder zum Leben erwecken konnte. Der Zauberer würde verdammt gut daran tun, ihr einige Antworten zu liefern, wenn sie schon so dämlich war, der Dunkelheit und dem schaurigen Wald zu trotzen und zu riskieren, von einem Bären gefressen zu werden.
Ihre Entschlossenheit leistete ihr gute Dienste und stützte Libby die erste Stunde ihres Aufstiegs, bis sie etwas zu ihrer Linken hörte. Ein Zweig knackte, und sie fuhr herum und richtete den Strahl ihrer Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Aber so weit der Lichtstrahl reichte, waren nur kahle Bäume zu sehen.
Und dann sah sie zwei Lichtpunkte, klein wie Nadelstiche.
Die Augen bewegten sich nicht und starrten sie wenige Zoll über dem Boden unverwandt an. Ein winziges Tier, etwa ein Hase oder Fuchs? Oder ein zum Angriff bereiter geduckter Bär?
Verdammt. Was hatte sie hier eigentlich zu suchen, im tiefsten Wald, um halb fünf Uhr morgens, nur mit einer Taschenlampe und ihrer überaktiven Fantasie bewaffnet?
Etwas Weißes, Verschwommenes huschte durch den Lichtkegel ihrer Taschenlampe, und Libby schrie auf. Sie trat zurück, stolperte über einen Stein und landete im Nadelgehölz.
»Verdammt, Mary!«, stieß sie hervor und schob einen Zweig von ihrem Gesicht. »Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt.«
Die einzige Antwort war das Echo ihrer eigenen Stimme.
Langsam rappelte Libby sich auf, säuberte sich und rückte ihre Mütze zurecht. Nun, allein war sie jetzt nicht mehr, wenn ihr auch eine Eule gegen einen Bären nicht viel helfen konnte. Sie setzte ihren Weg in der einzigen Richtung fort, die sie kannte, und das war bergauf. Anstatt aber ihr Licht auf den Boden zu richten, hielt sie es immer wieder gegen die Bäume und suchte die Eule.
»Mary!«, rief sie in singendem Ton, wobei sie sich eher verzweifelt als albern fühlte. »Wo ist Vater Daars Hütte?«
Ein scharfer, hoher Pfeifton kam von rechts, und Libby ging in dieser Richtung weiter, wobei ihr Singsang in geflüsterte Verwünschungen überging, wenn sie sich unter tiefen Ästen ducken oder umgestürzte Bäume überklettern musste. Fast eine Stunde lang richtete sie sich allein nach Marys leisen Pfiffen, wenn sie nicht hin und wieder einen Blick auf den lautlos vor ihr dahingleitenden Vogel erhaschte. Zerkratzt, erfroren und hundemüde sah sie schließlich in einiger Entfernung ein schwaches Licht. Sie taumelte auf die Lichtung, blieb aber unvermittelt stehen, als sie Daar unter dem Vordach seiner Hütte stehen sah. Der Schein der an der Wand hinter ihm hängenden Kerosinlampe zeichnete seine Umrisse nach.
»Wenn Sie meinen Stab nicht haben, können Sie ebenso gut kehrtmachen und wieder den Berg hinuntersteigen«, sagte er grollend. Seine Stimme drang überdeutlich durch die frostige Nachtluft.
»Ich möchte eine Tasse Kaffee.«
»Die bekommen Sie, wenn Sie mir meinen Stab gebracht haben.«
»Michael hat ihn.«
»So? Na, dann passen Sie auf, dass Sie auf dem Rückweg nicht von einem Bären gefressen werden.« Er drehte sich um und ging in seine Hütte.
Libby stand wie angewurzelt da und starrte die geschlossene Hüttentür an. Sie wusste, dass es da drinnen Kaffee gab. Sie konnte ihn riechen.
Sie ging zur Hütte, stapfte die vier Stufen zur Veranda hinauf und benutzte ihre Taschenlampe, um an die massive Holztür zu klopfen. »Ich gehe nicht!«, rief sie. »Ich will eine Tasse Kaffee, und ich will mit Ihnen reden!«
»Ich aber nicht mit Ihnen«, kam seine gedämpfte Antwort.
»Ein Gesetz besagt, dass man jedem, der sich im Wald verirrt, Unterstand gewähren muss«, belehrte Libby ihn. »Dazu Verpflegung und ein warmes Getränk.«
»Das haben Sie sich ausgedacht. Und jetzt verschwinden Sie, ehe ich Sie in einen Mistkäfer verwandle.«
Wieder hämmerte Libby mit ihrer Taschenlampe an die Tür. Als keine Reaktion erfolgte, lehnte sie den Kopf an das Holz und fing leise zu schluchzen an. »Meine … meine Gabe ist dahin«, flüsterte sie. »Sie wirkte nicht, als ich sie gestern gebraucht hätte.«
Die Tür ging auf, sie fiel Vater Daar in die Arme.
Libby vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter und fuhr mit ihrem leisen Klagelied fort. »Ich konnte Alan Brewer nicht heilen. Darrens Armbruch schaffte ich, aber für seinen Vater hat es nicht gereicht. Das Chaos war zu groß. Die Farben wirbelten durcheinander und verhinderten,
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