Der Ring des Sarazenen
von außen nicht mehr gesehen werden konnte.
Er hatte Fackel und Schwert fallen gelassen. Robin hob es auf, wog es einen Moment prüfend in der Hand und beschloss dann, es anstelle des Krummsäbels zu behalten, der ohnehin kaum mehr als ein Spielzeug gewesen war. Diese Waffe war schwerer, dafür nicht so lang, und sie lag fast so gut in ihrer Hand wie ihr eigenes Breitschwert, das sich jetzt vermutlich mit allen anderen Beutestücken irgendwo in Omars Schatzkammer befand. Als Letztes hob sie die Fackel auf, die dem Krieger entglitten war. So gab sie zwar den Schutz der Dunkelheit preis. Aber ein Mann, der eine Fackel trug und in ihrem flackernden Schein die Gasse absuchte, würde im Moment vermutlich weniger auffallen als eine Gestalt, die sich im Dunklen herumdrückte.
Nemeth sah ihr mit einer Mischung aus Bewunderung und Staunen entgegen, als sie sich herumdrehte. »Und du bist ganz sicher, dass du kein Dschinn bist?«, fragte sie.
»Ganz sicher«, bestätigte Robin.
Das Mädchen nickte nachdenklich, sah auf den reglosen Krieger herab und dann mit gerunzelter Stirn in Robins Gesicht. »Es ist also bei euch Ungläubigen üblich, dass die Frauen ihre Männer verprügeln?«
Diesmal kostete es Robin Mühe, nicht laut loszulachen. Ihr war nicht nach Albernheiten zumute, und Nemeth hatte auch keineswegs einen Scherz machen wollen. Aber in diesem Moment beneidete Robin sie um diese kindliche Unverstelltheit wie um nichts anderes in der Welt. »Wir sprechen später darüber«, sagte sie. »Jetzt lass uns gehen. Ich glaube, dort hinten ist es ruhiger.«
Sie deutete mit einer Kopfbewegung in die Gasse hinein. Irgendwo an ihrem Ende brannte ebenfalls Licht, aber es war nur der gelbe Schein einer Öllampe, der aus einem Fenster fiel, nicht das hektische Hin und Her von Fackeln, die von rennenden Männern geschwenkt wurden. Sie erinnerte sich an die Worte des Kriegers, der von einem Sklavenaufstand berichtet hatte. Wenn man bedachte, dass wahrscheinlich nicht mehr als einem Dutzend Männern und Frauen die Flucht aus dem Hof gelungen war, so war das hoffnungslos übertrieben. Aber auf der anderen Seite wusste sie auch, wie schnell Gerüchte, gerade in einer Situation wie dieser, die Runde machten. Wenn die Bewohner von Hama wirklich glaubten, es mit einer ausgewachsenen Sklavenrevolte zu tun zu haben, dann würde bald die nackte Panik in der Stadt um sich greifen; eine bessere Gelegenheit zu entkommen konnte sie sich kaum wünschen.
Robin beschleunigte ihre Schritte und wandte ein paar Mal den Kopf, um die Gasse hinter sich im Auge zu behalten. Schließlich blieb sie wieder stehen. Sie mussten sich mittlerweile gut hundert Schritte vom Platz und damit von Omar und dem Großteil seiner Männer entfernt haben. Ohne zu zögern warf sie die Fackel zu Boden und trat sie aus. Die Dunkelheit schlug wie eine erstickende Woge über ihnen zusammen.
Für einen Moment drohte Robin in Panik zu geraten, als sie einen riesigen Schatten wahrzunehmen glaubte, der hinter ihr in der Gasse emporwuchs. Dann wurde ihr klar, dass es nur eine Täuschung war. Ein weiteres Wunder! Niemand hatte sie bemerkt, niemand verfolgte sie.
»Haben wir es geschafft?«, flüsterte Nemeth.
Robin zuckte mit den Schultern, obwohl ihr klar wurde, dass das Mädchen die Bewegung in der fast vollkommenen Dunkelheit nicht sehen konnte. Sie hätte ihre Frage bejahen müssen, schon um Nemeth zu beruhigen, aber es widerstrebte ihr, sie zu belügen. »Ich hoffe es«, sagte sie. »Kennst du den Weg zum Fluss hinunter?«
»Nein. Ich war niemals hier.«
Ebenso wenig wie Robin. Aber wie es aussah, waren sie zumindest für den Moment in Sicherheit, und Robin gedachte, diese Atempause zu nutzen, bevor sie sich einer neuen Herausforderung zuwandte. Ihr ganzer Körper fühlte sich zerschlagen an und dort, wo der Krieger ihren Oberschenkel getroffen hatte, war der Schmerz fast unerträglich. Sie musste sich eingestehen, dass sie mit ihren Kräften beinahe am Ende war, und Nemeth konnte es kaum besser ergehen. Es war überhaupt erstaunlich, dass das Mädchen sich noch so gut hielt - schließlich hatte es eine ganze Weile im Sklavenverlies hinter sich. Robin bewunderte im Stillen die Tapferkeit dieses Kindes und sie betete, dass sie auch weiter anhalten möge. Ebenso wie ihre eigene.
Plötzlich erwachte die Dunkelheit vor ihr zum Leben. Der Hund hatte nicht den geringsten Laut von sich gegeben, kein Bellen, kein Knurren, kein verräterisches Hecheln oder Schnüffeln, nicht
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