Der Ring des Sarazenen
eine Menge«, gab Robin lächelnd zurück.
»Ich verstehe vielleicht nicht viel von geheimnisvollen Ringen voll rätselhafter Schriftzeichen«, erwiderte Harun. »Doch wenn dieser Ring einem Assassinen gehörte, dann wärest du nicht hier.«
»Wieso?«
»Weil niemand so dumm wäre, eine Frau als Sklavin verkaufen zu wollen, die dem Alten vom Berge versprochen ist«, sagte Harun.
»Und nun genug. Wir haben noch viel zu…«
Er unterbrach sich, als die Tür aufgerissen wurde und Naida hereingestürmt kam. Sie trug das gleiche befleckte Kleid vom vorigen Tag und auch ihr Gesicht wirkte noch ebenso grau und eingefallen und von den Entbehrungen der letzten Tage gezeichnet. Aber ihr gesundes Auge flammte wütend auf, als sie erkannte, dass Robin noch nicht fertig angekleidet und geschminkt war. »Was geht hier vor?«, herrschte sie Harun an. »Ihr solltet schon lange fertig sein! Omar erwartet das Mädchen! Der letzte Gast ist soeben eingetroffen. Ihr werdet nicht dafür bezahlt, Eure Zeit zu vertrödeln!«
»Bevor Ihr eingetreten seid, Allerehrwürdigste«, antwortete Harun gereizt, »waren wir der Vollkommenheit schon einmal näher. Äußere Schönheit ist nicht ohne innere Ruhe zu erreichen, müsst Ihr wissen.«
»Verhöhnt Allah nicht, indem Ihr eine Ungläubige vollkommen nennt«, antwortete Naida zornig. »Was ist die größte Schönheit, wenn der richtige Glaube fehlt?«
Harun bedachte die alte Sklavin mit einem langen Blick und erwiderte dann in fast freundlichem Ton: »Wie Recht Ihr doch habt, erhabene Herrin des Hauses. Auch ich konnte schon oft beobachten, wie im gleichen Maße, in dem die Schönheit einer Dame verblasst, ihre Festigkeit im Glauben zunimmt.«
Naida funkelte ihn wütend an. Mühsam beherrscht stieß sie hervor:
»Beeilt Euch. Der Herr erwartet Euch am Brunnen im hinteren Hof.«
»War es nötig, Naida zu beleidigen?«, fragte Robin, nachdem die Sklavin das Zimmer wieder verlassen hatte.
Harun machte ein abfälliges Geräusch. »Ich ziehe eine ehrliche Beleidigung jederzeit der Heuchelei vor«, sagte er. »Naida hasst mich. Und offen gesagt, erfreut sie sich auch nicht unbedingt meiner Wertschätzung. Im Übrigen wird eine Anspielung auf ein paar Falten in ihrem Gesicht sie gewiss nicht umbringen.« Sein Grinsen verstärkte sich. »Das wird schon eher Omar Khalid erledigen, wenn wir uns nicht sputen. Eile dich, meine Liebe.«
Die letzten Worte galten Aisha, die sich bereits daran gemacht hatte, Robins Gesicht, Hals und Hände rasch mit dem parfumgetränkten Tuch abzutupfen. Robin sog ein paar Mal scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als sie auch die wunden Stellen an ihren Handgelenken nicht ausließ.
»Jetzt schau dir nur ihre Haut an, meine Liebe«, schwärmte Harun, als Aisha endlich von ihr abließ und einen Schritt zurücktrat. »So zart und hell wie ein frisch aufgeblühter Zitronenbaum. Wir haben ein kleines Wunder vollbracht, bei Allah!«
»Wir müssen ihre Narbe verdecken«, sagte Aisha stirnrunzelnd. Sie warf Harun einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem angedeuteten Kopfnicken beantwortete, ging rasch zu dem kleinen Tischchen neben der Tür und nahm etwas aus einer kleinen Truhe, die Harun am Morgen mitgebracht hatte. Als sie zurückkam, lag ein schweres Kollier aus Gold und tiefrot funkelnden Granatsteinen in ihren Händen. Robin riss verblüfft die Augen auf.
»Das ist…«
»Nur eine Leihgabe«, unterbrach sie Harun hastig, und auch ein bisschen nervös, wie es ihr vorkam. »Auch, wenn es natürlich gegen deine angeborene Schönheit verblassen muss.«
»Ist der Schmuck… echt?«, murmelte Robin ungläubig. Was diesen Punkt anging, so erging es ihr nicht anders als Harun: Sie verstand nichts von Gold, Geschmeide und Edelsteinen. Aber man musste kein Goldschmied sein, um zu erkennen, dass das, was Aisha da so beiläufig in Händen hielt, ein Vermögen wert war.
»Omar würde mich vierteilen lassen, ließe ich dich mit falschem Geschmeide vor seine Käufer treten«, antwortete Harun. Er wartete, bis Aisha Robin das Kollier angelegt und den winzigen Verschluss in ihrem Nacken geschlossen hatte, dann stand er ächzend auf und maß Robin mit einem selbstzufriedenen Blick. »Du solltest dich nur selbst sehen können! Keine Blume aus den wunderbarsten Gärten von Damaskus könnte sich mit deiner Schönheit messen, Ungläubige.« Er seufzte. »Wenn ich nur daran denke, wie du ausgesehen hast, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Bei Allah, ich will mich
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