Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ring des Sarazenen

Der Ring des Sarazenen

Titel: Der Ring des Sarazenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aus. Ihr Benehmen schmerzte Robin, aber sie konnte es verstehen. Sie hielt Saila für eine kluge Frau, die vermutlich durchaus wusste, wie wenig Schuld Robin an dem grausamen Schicksal trug, das sie und ihr ganzes Dorf getroffen hatte. Aber auch sie selbst hatte schon zu viel Schmerz erlitten, um nicht zu wissen, dass Vernunft und Empfinden nicht immer Hand in Hand gingen. Wahrscheinlich war sie selbst sogar das beste Beispiel dafür.
    »Und es ist wirklich wahr, dass wir deine Dienerinnen werden sollen?«
    Robin hatte im ersten Moment Mühe, die Stimme irgendeinem Namen zuzuordnen. Müde hob sie den Kopf, blinzelte, dann erkannte sie Nemeth. Das Mädchen musste so erschöpft und durstig sein wie sie, was es aber nicht daran hinderte, mit einem strahlenden Lächeln zu Robin aufzusehen und offensichtlich eine Antwort auf seine Frage zu erwarten.
    Robin konnte sich gar nicht erinnern, Nemeth oder ihrer Mutter von dem Handel erzählt zu haben, den sie mit Omar Khalid geschlossen hatte, aber es musste wohl so sein. »Ja«, sagte sie. »Ihr werdet meine Dienerinnen und ich werde eure Herrin. Und als solche befehle ich dir, dich jetzt in den Schatten zu setzen und auszuruhen. Und den Mund zu halten.«
    Nemeth strahlte noch breiter. »Aber eine Dienerin muss sich um das Wohl ihrer Herrin kümmern.«
    Ohne Robins Antwort abzuwarten, drehte sie sich herum und war wie ein Wirbelwind verschwunden. Robin verspürte einen schwachen Anflug von Neid auf ihre kindliche Energie und Zähigkeit. Sie selbst würde jedem die Kehle durchschneiden, der innerhalb der nächsten drei oder vier Tage von ihr verlangte, auch nur noch einen einzigen Schritt zu tun. Aber sollte Nemeth sich ruhig austoben. Vielleicht waren die wenigen Stunden, die sie das noch konnte, der Rest ihrer Kindheit. Sie hatte nicht das Recht, sie ihr streitig zu machen.
    Es verging nur eine kleine Weile, in der Robin einfach dasaß und in der Sonne döste, bis Nemeth zurückkam. Sie trug eine flache Schale mit Flusswasser in beiden Händen, die sie Robin voller Stolz hinhielt. Als Robin danach griff, musste sie feststellen, dass sie mehr Sand als Wasser enthielt und dieses zudem nicht besonders sauber war. Aber sie war entsetzlich durstig, und selbst wenn sie es nicht gewesen wäre - das Leuchten in Nemeths Augen hätte es ihr vollkommen unmöglich gemacht, irgendetwas anderes zu tun, als die Schale anzusetzen und mit wenigen Schlucken so weit zu leeren, bis der Sand zwischen ihren Zähnen zu knirschen begann. Das Wasser schmeckte nicht besonders gut. Wahrscheinlich hatte Nemeth es unterhalb der Stelle, wo die Kamele standen, geschöpft. Dennoch war es nach dem stundenlangen Marsch durch die glühende Wüstensonne eine solche Labsal, dass Robin fast enttäuscht war, als die Schale leer war.
    Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, fragte Nemeth: »Soll ich noch mehr holen?«
    Robin schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Es ist nicht gut, wenn man zu viel auf einmal trinkt, weißt du? Vielleicht später, bevor wir weiterreiten.«
    Eine Stimme hinter Robin sagte: »Aber du könntest gehen und uns ein paar frische Datteln pflücken, Kleines.«
    Das Mädchen nickte eifrig und verschwand wie der Blitz.
    Robin drehte den Kopf und blinzelte in das breite, alt aussehende Gesicht Harun al Dhins hinauf. Obwohl sie den ganzen Tag neben ihm marschiert war, fiel ihr erst jetzt auf, wie mitgenommen er wirkte. Auf seinen Wangen, die bislang immer sorgsam rasiert gewesen waren, zeigten sich graue Bartstoppeln. Sein Gesicht war ungeschminkt und er hatte nicht mehr viel von dem verkleideten Gecken, als der er bisher aufgetreten war. Viel deutlicher als bisher sah sie das Geflecht feiner Falten, das seine Augen umgab. Es kam Robin fast so vor, als habe die gnadenlose Wüstensonne die weichen Formen von seinem Gesicht geschmolzen, sodass nun zum ersten Mal der wahre Harun al Dhin darunter zum Vorschein kam.
    Ein äußerst besorgter Harun al Dhin.
    Mit einem erschöpften Seufzer ließ er sich neben Robin auf die Mauerkante sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie und betrachtete stirnrunzelnd, was der stundenlange Marsch, Sonne und Sand seinen kostbaren Kleidern angetan hatten. Von ihren grellen Farben war nicht mehr viel zu sehen.
    »Das gefällt mir nicht«, murmelte er.
    »Was?«, fragte Robin. Sie spürte genau, dass Harun eine andere Antwort von ihr erwartet hatte. Aus irgendeinem Grund schien er niemals willens zu sein, von sich aus etwas preiszugeben, sondern wartete immer auf

Weitere Kostenlose Bücher