Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
Beruf übte das Opfer vor seinem Ableben aus?“ Menzel blättere in den Akten. „Er war Musiklehrer. Pensioniert. Aber er unterrichtete immer noch den Kinderchor irgendeiner Kirchengemeinde. Man wollte ungern auf seine Fähigkeiten verzichten. Obwohl es wiederholt Probleme gab.“ „Also kein Schmied. Ich dachte, er wäre vielleicht Goldschmied gewesen. Das hätte zumindest die Wahl des Gartenzwergs erklärt. Mit Musik hat das allerdings rein gar nichts zu tun.“ Theobald Wagner massierte sich die Stirn. Er hatte Kopfschmerzen und der Leistungsdruck, unter dem er stand, steckte ihm wie ein kantiger Felsbrocken im Hals. „Na gut. Was gab es denn für Probleme mit Wilhelm Gornheim?“ Er sah Menzel aufmunternd an. „Einige Eltern haben ihre Kinder aus dem Chor genommen, weil Herr Gornheim ihrer Meinung nach zu streng mit ihren Sprösslingen war.“ „Zu streng? Geht das vielleicht etwas genauer? Hat er sie verdroschen, wenn sie den Ton nicht trafen?“ Wagner grinste, obwohl ihm gar nicht danach zu Mute war.
„Es war wohl eher eine Art Psycho-Terror. Er habe die Kinder zu sehr unter Druck gesetzt. Ihnen gedroht, er würde dafür sorgen, dass sie niemals wieder in einem Chor sängen, wenn sie nicht gehorchten. Es gibt Berichte von fanatischen Chorproben, bei denen die Kinder immer wieder dasselbe Stück singen mussten, bis die ersten nicht mehr stehen konnten. Manche Eltern haben diese Methodik begrüßt, andere nicht. Deren Kinder singen jetzt nicht mehr im Chor. Die Kirchenältesten und der Pfarrer haben mehrfach mit Herrn Gornheim über seine Methoden gesprochen, aber wegen der großen Erfolge des Kinderchores hatten alle immer wieder klein beigegeben.“ „Haben wir irgendeinen Zusammenhang mit Olaf Westhofen gefunden? Kannten sich die beiden Opfer? Ist Gornheim schwul oder bisexuell veranlagt?“ Wagner nahm an, dass der Mord an Gornheim kaum von einem wütenden Elternpaar begangen worden war, weil der Filius seit dessen Sonderbehandlung Angst hatte zu singen. Dies war zweifellos der Beginn einer Mordserie. Es musste irgendwo eine Verbindung zwischen Westhofen und Gornheim geben. Diese Verbindung musste für irgendeinen Menschen Grund genug sein, so sehr in Rage zu geraten, dass er nun wie entfesselt mordete und sich obendrein die Mühe machte, den Toten mysteriöse Gegenstände beizufügen. Nie zuvor hatte Theobald Wagner solch merkwürdige Dinge am Tatort gefunden. Einmal hatte er einen Prostituiertenmörder geschnappt, der bei jeder Frau ein ungeöffnetes Kondombriefchen hinterließ. Seine Intuition führte Wagner nach der vierten Frau innerhalb von zehn Tagen zu einem HIV- positiven Mann, der sicher war, die Krankheit von einer Prostituierten zu haben. „Wenn man mehr bezahlt, geht’s auch ohne Gummi“, hatten die Frauen ihm damals erzählt. Das war vergleichsweise leicht gewesen. Sie hatten damals mit Zuhältern, Gesundheitsamt und Ärzten gesprochen. Dieser Täter war ihnen schnell in die Falle gegangen. Aber diesmal würde es ohne Zweifel schwieriger werden. „Uns sind keinerlei Überschneidungen der beiden Opfer bekannt. In keinem Bereich ihres Lebens“, antwortete Menzel kleinlaut. Er war mindestens so niedergeschlagen wie Wagner selbst.
„Trotzdem bleibt nur diese eine Möglichkeit. Etwas an den beiden Opfern, einmal abgesehen davon, dass sie Männer waren, hat unseren Täter gereizt, aber was?“ Menzel zuckte mit den Schultern. „Gehen wir nach Hause. Ich nehme das hier mit und arbeite es noch mal durch. Vielleicht stolpere ich über irgendwas.“ Hauptkommissar Wagner stand auf. „Ich hoffe es. Es wäre sch…äh… schlimm, wenn… äh…, du weißt schon“, stotterte Menzel mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck. Wagner atmete tief durch: „Willst du mir irgendwas sagen?“ Menzel beugte sich über den Schreibtisch. „Verdammt, Theo. Ich lande in Wellers Mannschaft, wenn du das hier vergeigst. Du magst zwar zu einem versoffenen Arschloch mutiert sein, aber wir arbeiten immer noch lieber mit dir als mit Weller oder den anderen Schnarchnasen. Tu es fürs Team, okay?“ Die beiden Männer sahen sich einen Moment lang in die Augen. Theobald Wagner las im Gesicht seines Mitarbeiters wie in einem offenen Buch. Menzel selbst war dermaßen überrascht von seinem Ausbruch, dass er nicht fähig war, noch etwas zu sagen, geschweige denn, sich zu rühren. Mit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund stand er nun regungslos da. „Mach dir keine Sorgen. Alles okay. Geh nach Hause,
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