Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
Wagen.
Der Regen prasselte auf das Dach seines alten 3er Golfs. Das Wetter passte ebenso fantastisch zu seiner deprimierten Stimmung wie das, was sein altes Kassettenradio von sich gab. „Hurt“, dröhnte ein wenig scheppernd aus den überstrapazierten Boxen in den Türverkleidungen des Wagens. Zu Hause auf CD klang das Stück natürlich besser, und dennoch war es immer dasselbe, mit der Stimme von Johnny Cash. Diese Melancholie traf Theobald Wagner dort, wo es weh tat. Mitten ins Herz.
Das Wochenende war ruhig gewesen, so dachte Wagner zumindest bis vor zwanzig Minuten. Zu diesem Zeitpunkt war ein Notruf eingegangen. Eine ziemlich hysterische Frau hatte den Tod ihres Lebensgefährten gemeldet. Nun saß er in seinem Auto hier am Industriehafen, dessen alte Gemäuer inzwischen das eine oder andere luxuriöse Loft beherbergten, und hoffte inständig, dass der Tote kein weiteres Opfer seines Serienkillers war. Oder sollte er insgeheim vielleicht doch darauf hoffen? Es könnte ja immerhin sein, dass sich an diesem Tatort eine brauchbare Spur finden ließe. Den vorläufigen Informationen nach steckte in der Brust des Opfers ein langer Speer, der darauf schließen ließ, dass es sich hier um Opfer Nummer drei handeln könnte.
Wagner beugte sich vor und berührte mit der Stirn die Handrücken, die Hände hielten das Lenkrad immer noch fest umklammert. Cash war am Ende. Wie lange wollte er noch hier sitzen, besser wurde es dadurch auch nicht.
Also zog er den Schlüssel aus dem Zündschloss und spurtete durch den strömenden Regen auf das sanierte Fabrikgebäude zu. Der erste Stock war hell erleuchtet. Es war das Loft von Ronny Pfingst, einem Serienschauspieler, der es durch die wachsende Beliebtheit deutscher Soap-Operas zu Ruhm und vor allem zu haufenweise Geld gebracht hatte. Wagner hasste diese miesen deutschen Serien im Vorabendprogramm und empfand die miserable Leistung der Darsteller als Beleidigung für das Schauspielwesen. Nicht, dass er ein großer Kenner hoher Schauspielkunst war. Die gequälten Dialoge brachten ihn jedoch maximal zum Lachen, auch wenn dies angesichts der hochdramatischen Szene wohl nicht so gedacht war. Dagegen wirkten Blake Carrington und Dex Dexter vom Denver-Clan wie mitten aus dem Leben gegriffen.
Wieder einer weniger, dachte Wagner bitter, als er die Treppen in den ersten Stock hinaufstieg. Theobald Wagner kannte den Typen vom Sehen. Ronny Pfingst verkehrte in derselben Bar wie er und seine Kumpels. Der Typ war der Inbegriff eines Sunnyboys. Groß, dunkler Teint, braune Locken, athletisch gebaut. Frauen aller Altersklassen flogen auf ihn und Pfingst schien diesbezüglich nichts anbrennen zu lassen. „Tja, mein Alter, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, nimmt der mit nach Hause,“ hatte sein Freund Tim einmal gesagt, als sie teils neidisch, teils anerkennend beobachtetet hatten, wie jener selbsternannte Schauspieler, wieder einmal flankiert von zwei Frauen, die Bar mit offensichtlichen Absichten verließ.
Völlig in Gedanken, wäre Hauptkommissar Wagner beinahe über den Putzeimer gefallen, der im Gang des Lofts mitten im Weg stand. Daneben fanden sich Reste von Erbrochenem auf dem Granitboden. Menzel kam ihm grinsend entgegen. „Wir hatten noch keine Zeit, das wegzuräumen.“ Auf Wagners fragenden Blick fuhr er fort: „Die Kleine hat gekotzt, nachdem sie uns angerufen hat. Die Jungs haben sie hier beim Aufwischen gefunden. Sie ist die Verlobte von dem Schmierenkomödianten da drin.“ Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. Menzel verabscheute diese TV-Soaps allem Anschein nach ebenso.
„Reiß´ dich zusammen, okay?“, zischte Wagner leise. „Was denn? Hast du dir den Schrott schon mal angesehen, der im Vorabendprogramm läuft?“ Jetzt musste Theobald Wagner grinsen. „Ja! Und du hast recht. Aber bleib trotzdem sachlich! Also, wo ist die Verlobte?“
„Im Schlafzimmer. Rosalie ist bei ihr. Die Frau war übers Wochenende bei ihrer Schwester. Das macht sie regelmäßig, jedes zweite Wochenende. Da hatte Herr Pfingst dann… sturmfreie Bude. Sachlich genug?“ ‚Dass Mister Soap kein Kostverächter war, ist offensichtlich hinlänglich bekannt‘, dachte Wagner, aber offen gestanden interessierte ihn das momentan kein bisschen.
„Dieser Scheißkerl! Unser Mörder weiß bei jedem seiner Opfer ganz genau, wann er ungestört zuschlagen kann. Bei Pfingst muss sich die Recherche ja besonders schwierig gestaltet haben, weil der ja zum Drehen ständig die Stadt
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