Der Ring des Todes - ein Wagner Krimi
er mit hängenden Schultern in sein Büro zurück. Was sollte er nun tun? Einerseits wusste Wagner genau, dass Lutz Hartmann ihn für verrückt erklären würde, wenn er Kontakt zu Frau Winkler aufnahm. Andererseits war ihm aus unerfindlichen Gründen noch nie in seinem Leben etwas richtiger erschienen.
Während er die elegante Visitenkarte in den Fingern drehte, beschloss er, sich zunächst über Richard Wagner und dessen Ring des Nibelungen schlau zu machen.
Ein Hoch auf das Internet! Den Recherchen in der Opernwelt Richard Wagners fiel das Mittagessen zum Opfer. Hauptkommissar Wagner stellte erneut fest, dass der Mensch wohl nirgendwo unbemerkt soviel Zeit seines Lebens verlieren konnte wie bei der eingehenden Beschäftigung mit dem Internet. Er fand sämtliche Aussagen Elsbeth Winklers bestätigt und lernte einiges über die Biographie von Richard Wagner. Seinen berühmten Namensvetter empfand er dabei als äußerst widersprüchliche Persönlichkeit, als großartiges Genie mit einem absurden Hang zum Perfektionismus, ständig am Abgrund des Wahnsinns taumelnd.
Als Hauptkommissar Wagner die Uhrzeit wieder bewusst wahrnahm, war es bereits halb vier. Von seinem Team hatte er nichts gehört. Die waren sicherlich entsetzlich genervt von ihrer Suche nach der buchstäblichen Nadel im Heuhaufen.
Sollte er Frau Winkler anrufen?
Seine Intuition kämpfte unbewusst mit seinem Pflichtgefühl, die Weisung seines Chefs nicht zu boykottieren, dann beschloss er, seinem Instinkt nachzugeben. Lange genug hatte ihm dieses sichere Gefühl, das absolut Richtige zu tun, gefehlt. Wenn er dem nun nicht nachgab, würde es vielleicht auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Während er Frau Winklers Nummer wählte, kam er im Stillen zu dem Ergebnis, dass er ohnehin an einem Punkt angekommen war, an dem es nichts mehr zu verlieren gab.
Frau Winkler war zugänglicher, als Theobald Wagner zu hoffen gewagt hatte. Sie lud ihn noch für denselben Abend zu sich nach Hause ein. Oststadt. Sophienstraße 10, erster Stock.
Na klar, wo denn sonst. Eine Frau wie Elsbeth Winkler residierte selbstverständlich in einer der Belles Étages im elegantesten Viertel Mannheims, unweit der Villa Westhofen. Hauptkommissar Wagner machte sich eilig mit den notdürftigsten Mitteln im Büro frisch.
Auf gar keinen Fall wollte er mit leeren Händen zur Audienz in der Sophienstraße 10 erscheinen. Obgleich er generell einen eher ungehobelten Eindruck machte, waren doch ein paar wenige Umgangsformen, um die seine Mutter stets bemüht gewesen war, haften geblieben. Deshalb führte ihn sein Weg vor der Verabredung noch bei seinem bevorzugten Floristen vorbei. Maurice schaute überrascht drein. „
Monsieur le Commissaire
, welche Überraschung,
n´est-ce pas
? Ich hatte schon vermutet, Sie seien verstorben, oder noch schlimmer - mir eventuell fremdgegangen?“ Maurice lachte hell auf.
Hauptkommissar Wagner war eines Tages eher zufällig nach der Arbeit in Maurices Laden gestolpert, um Blumen für seine damalige Freundin Valerie zu kaufen. Er hatte sie am Vorabend wegen einer laufenden Ermittlung versetzt, und sie hatte ihm daraufhin spontan telefonisch die Freundschaft gekündigt. „Irgendwas Versöhnliches, Buntes!“, hatte Theobald Wagner gedankenlos geordert. Maurice sah ihn darauf ungläubig, oder vielmehr entsetzt, an.
„
Non, non mon Cher!
So geht das aber nicht!“ Seine Vehemenz wirkte damals irritierend auf Wagner. Maurice ließ sich nicht beirren: „So kann ich nicht arbeiten,
Chérie
. Was ist passiert und für wen brauchst du was genau?“ Der Florist hatte hartnäckig darauf bestanden, dass Wagner einen nicht unerheblichen Teil seines Privatlebens vor ihm ausbreitete und genaue Angaben zu Valerie machte. Dann hatte Maurice eine halbe Pirouette gedreht und fröhlich geflötet: „
D´accord
. Da lässt sich was machen.“ Gerade als Wagner sich wieder gefangen hatte und gegen diese Behandlung protestieren wollte, war Maurice mit einem provisorisch zusammengestellten Blumenbouquet auf ihn zugeeilt und hatte verschwörerisch geflüstert:
„Voila,
Chérie
. Dies ist deine Rettung. Wenn ich fertig bin, sieht es
naturellement
perfekt aus.“ Die Blumen verfehlten ihre versprochene Wirkung tatsächlich nicht. Wagner dachte heute noch dann und wann an den überwältigenden Versöhnungssex mit Valerie. Seither kamen und gingen die Frauen, doch Maurice war geblieben. Seit einiger Zeit war Wagner allerdings Single und benötigte Maurices Dienste nicht mehr
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