Der Ring von Ikribu
gebratenen Pferdefleisches verbreitete sich nun, und die erschöpften Soldaten verschlangen ausgehungert das Fleisch. Die Luftfeuchtigkeit und die Finsternis schienen die Flammen abzuwürgen. Dann und wann, wenn ein Platschen im Sumpf oder ein lauteres Geräusch zu hören war, drehten die Männer die Köpfe und griffen nach ihren Schwertern. Die Verwundeten, die von ihren Kameraden versorgt worden waren, schliefen zum größten Teil bereits.
Sonja wandte sich an Som und sagte leise. »Wir müssen überlegen, was wir tun sollen. Hier können wir nicht bleiben. Hast du eine Ahnung, wie viele Männer wir noch haben?«
Som schüttelte den Kopf. »Vielleicht dreißig.«
»Nicht mehr?«
Wieder schüttelte Som den Kopf. »Dreißig«, flüsterte Sonja erschüttert. »Vor fünf Tagen hatten wir fünftausend.«
»Und Asroth ist noch nicht fertig mit uns, dessen bin ich sicher. Sein finsterer Schatten hängt über uns und regt uns zu sinnlosem Hass und zur Gereiztheit an.«
»Wir müssen entscheiden, wer uns führen soll. Würdest du uns führen, Som?«
»Mir wäre lieber, du tätest es«, entgegnete er. »Doch liegt die Entscheidung vielleicht nicht bei uns. Wir sind Söldner und haben mehr Erfahrung im Kämpfen als im Befehlerteilen. Wahrscheinlich ziehen die Soldaten einen aus ihren eigenen Reihen als Führer vor. Wir sollten darüber abstim …«
»Warte!« Sonja war plötzlich etwas eingefallen.
»Wo ist Pelides? Ist er gefallen?«
Sie stand auf und ließ den Blick über die Lagerfeuer wandern, um vielleicht den schwarzen Helm zu entdecken.
Als hätte man laut nach ihm gerufen, erhob Herzog Pelides sich von einem fernen Feuer und schaute Sonja an. Ein Schauder durchzog sie. All die tapferen Männer waren gefallen, und dieser undurchsichtige Pelides hatte überlebt.
Der Herzog kam auf Soms Feuer zu. Soms und Sonjas und die Augen aller folgten ihm.
Angespannt wartete Sonja. Som stand nun ebenfalls auf. Allas, der noch neben seinem Feuer lag, drehte den Kopf auf Tias’ Schoß. Das Mädchen hörte zu schluchzen auf und beobachtete Pelides ebenfalls. Selbst die Verwundeten stützten sich auf und richteten den Blick auf ihn.
Mit weit gespreizten Beinen, die Daumen im Gürtel, stellte Pelides sich herausfordernd vor Sonja. Seine vielfach verbeulte Rüstung war blut- und schmutzverkrustet, sein Umhang hing in Fetzen von ihm.
»Lord Olin ist tot«, sagte Pelides mit hallender Stimme.
Sonja beobachtete ihn stumm.
»Ich will den Ring, Hyrkanierin!«
Die Augen aller weiteten sich. Ein Ring? Einige der Männer begannen zu murmeln. Obwohl Tias es nicht zulassen wollte, bemühte Allas sich, sich aufzusetzen. Er stützte sich auf beide Hände, während er lauschend und beobachtend saß.
»Den Ring!«
»Nein!« antwortete Sonja.
Pelides legte die Hand um den Schwertgriff. »Die Armee ist vernichtet«, sagte er bedächtig. »Olin ist tot. Der Ring hat euch nicht geholfen. Keiner von euch wird es zu Asroths Festung schaffen.«
»Aber Ihr werdet es, Pelides?« Sonjas Stimme klang spöttisch.
»Ich werde überleben, Hyrkanierin! Den Ring!«
»Was für einen Ring, Sonja?« fragte Som. »Was ist mit ihm?«
Andere kamen näher und scharten sich murmelnd um sie. Allas rief mit schwacher Stimme: »Gebt ihn ihm nicht, Sonja! Gebt ihn ihm nicht!«
Weder Sonja noch Pelides schauten zu ihm. Ihre Blicke hielten einander fest.
Die Männer ringsum murmelten und flüsterten. Einer rief Sonja zu. »Was ist mit diesem Ring, Hyrkanierin?«
Sonja nutzte die Gelegenheit. Sie machte einen Schritt zurück, wandte sich den Männern zu und hob Ruhe und Ordnung gebietend die Hände.
»Ihr sollt entscheiden!« rief sie. »Hört mir zu, dann erzähle ich euch, weshalb Asroth eure Stadt überfiel und warum Pelides zu Lord Olin kam, um ihn zu diesem Feldzug aufzufordern.«
»Hört zu!« schrie sie, als wieder ein Gemurmel aufkam. »Der Hexer sucht einen bestimmten Zauberring. Er griff Suthad an, weil er erfuhr, dass der Ring dort versteckt war. Das wusste Lord Olin nicht, wohl aber Herzog Pelides, denn er war mit Asroth verbündet, ehe dieser ihn verdammte und mit einem Fluch strafte, der einen Alptraum aus seinem Gesicht machte.«
Wütende Stimmen erhoben sich, und zornige Gesichter wandten sich Pelides zu. Der Herzog kümmerte sich nicht darum. Mit Hasserfüllter Stimme zischte er:
»Gebt mir den Ring, Hyrkanierin!«
»Hört zu!« rief Sonja erneut. »Ich bin durch Zufall in Suthad an den Ring gekommen und habe Olin davon erzählt.
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