Der Ring
müssen zur Erde.
Ein einstimmiger Konsens.
An der Spitze des Pods hangelte ich mich mit meinen Händen und modifizierten Füßen den Gang hinunter. Es roch nach … nichts. Einen Monat lang hatten wir die gefilterte Luft von Columbus Station geatmet, ein wiederaufbereitetes Gemisch, das nach Pheromonen, Gummi und Schweiß stank. Und plötzlich fehlte jeglicher Geruch. Meine Nasenflügel zuckten.
Am Ende des Korridors lag ein zylinderförmiger, kreuz und quer von Leinen durchzogener Raum, in dessen Mitte ein weiterer Zylinder schwebte – der Aufzug, der uns von GEO zum Haupttorus des Rings bringen würde.
Aufzug, schickte ich nach hinten und schwang mich über den Abgrund zur Tür. Als der Pod zu mir aufschloss, spürte ich Medas Zögern, ihr Interface einzuklinken, um den Lift in Betrieb zu setzen. Schnell schickte ich ihr ein Bild der manuellen Kontrollen; hier brauchten wir das Interface ausnahmsweise nicht.
An Boden und Decke der sechs Meter hohen Kabine waren Schalensitze angebracht. Nachdem wir uns gesetzt und angeschnallt hatten, drückte Moira achselzuckend auf die Schaltfläche: »Ring – Torus – Zentrale«. Runter kamen wir auf jeden Fall, und das war im Moment das Entscheidende.
Sanft beschleunigte der Aufzug Richtung Erde. Als die Gravitation hoch genug war, packten wir das Mittagessen aus, das wir uns von der Station mitgenommen hatten, und eine halbe Stunde später war der Pod eingeschlafen. Nur ich kletterte in der schwachen Schwerkraft über die gerippten Wände und betrachtete die langsam anwachsende Erdkugel.
Stunden später, als wir in die zentrale Rundung des Rings glitten, bremste der Lift ab. Quant warf einen Blick aus der Luke, und wir alle hielten den Atem an: Unter uns lag eine riesige, mindestens zwei Kilometer breite Röhre mit Terrassen und Brücken an den Seiten und fadenscheinigen Wolken als Decke. Ein blauer, von Bäumen und Gras umgebener See dominierte den Boden, Straßen schlängelten sich durch die Wiesen und kletterten die Wände hinauf.
Und alles leer.
Vögel, sandte Strom, als ein Schwarm Gänse vom See abhob. Bei fünfzehn Prozent Gravitation mussten sie sich nur leicht mit den Füßen abstoßen, um einen Flügelschlag später hoch oben durch die Wolken zu segeln.
Achttausend Kubikmeter pro Person, kam es von Quant. Offensichtlich hatte die Community den Ring auf Zuwachs angelegt.
Strom nickte. Hier könnten wir uns ein Leben lang verstecken.
Bis er zurückkommt, fügte Moira hinzu.
Da lang. Meda deutete auf eine zweite Lifteinheit, die die letzten zehntausend Kilometer bis zu einer irdischen Ankerstation bediente. Diese Fahrstühle waren größer als der Stachelaufzug, fast doppelt so groß.
Bevor wir gingen, warf ich einen letzten Blick auf das Tal im Inneren des Rings, auf diesen verwaisten Tribut an eine ausgestorbene Spezies der Menschheit. Ich sah darin nichts als einen leeren Lebensraum, einen Ort, an dem es früher einmal, vor langer Zeit, menschliches Leben gegeben hatte.
Mit jedem Meter, mit jeder Sekunde, schwoll die Erdkugel an, stieg die Gravitation. Plötzlich klebten unsere Arme an den Seiten, plötzlich presste sich Medas, Moiras und Quants Haar, das sich auf GEO ständig aufgebauscht hatte, wie ein glatter Ölfilm an den Kopf. Zum ersten Mal seit unserem Aufbruch von Columbus Station hatte Meda ihren Pferdeschwanz gelöst, denn hier unten musste sie ihr kastanienbraunes Haar nicht bändigen, um es von ihren Augen fernzuhalten. Und obwohl ich nur ein paar Wochen in der Schwerelosigkeit verbracht hatte, schmerzte die ungewohnte Last der Schwerkraft. Meine Füße taten weh.
Unter uns streckte das Amazonas-Delta seine braunen Finger in den Atlantik und färbte das Wasser mit seinen Ablagerungen. Wir befanden uns am Rand der Atmosphäre, in etwa zweihundert Kilometer Höhe, wo die Fahrt allmählich unruhiger wurde. Elektromagnetische Stöße schüttelten das Kabel, und bald, auf dem letzten Abschnitt der Reise, würde uns auch der Wind durchrütteln. Seit unserem Aufbruch von GEO waren beinahe zwei Tage vergangen.
Schwerkraft bei null Komma neun vier g, zählte Quant herauf. Das ging schon seit Ewigkeiten so, alle zehn Minuten, aber ich sagte nichts. Eigentlich ärgerte ich mich über meine schmerzenden Füße, und dafür konnte sie ja nichts. Auf Zehenspitzen lief ich vom Fenster zu den Bänken in der Mitte und setzte mich. Ich konnte genauso gut durch Stroms Augen schauen.
Die Aufzugkabine des Ringlifts, ein dreistöckiger Zylinder mit
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