Der Ring
lange Zeit unterdrückt worden war, endlich befreit.
Ich wandte mich zu Gueran um. »Wie viele dieser Krankenhäuser gibt es überhaupt?«
Er schreckte aus seinen Träumereien hoch. »Äh … noch zwei andere. Soweit ich weiß.«
»Alle geleitet von Singletons?«
»Ja, von normalen Leuten.«
Ich verkniff mir eine bissige Erwiderung. »Also gibt’s schätzungsweise mindestens zehntausend zerfallene Pods, wenn nicht mehr.«
»Tja, ihr Pods seid nicht perfekt. Und wir müssen uns dann um euren Ausschuss kümmern. Ihr seid auch nicht besser als Community.«
»Stimmt«, sagte ich, »überhaupt nicht besser.«
Moiras blasses Gesicht tauchte in der Dunkelheit vor mir auf. »Nein, nur anders«, bemerkte sie mit einem Blick auf mich. »Die Menschheit ist immer noch dieselbe, nur geht es der Podgesellschaft um andere Aspekte des Menschseins.«
Ich sah sie an. »Was war das vorhin in der Stadt mit Quant?« Sicher hatte der Pod auch darüber in aller Ausführlichkeit nachgedacht.
Sie zuckte die Schultern. »Wir wissen es nicht. Wir haben versucht, es zu verstehen, aber …«
»Ich weiß noch, dass die defekten Pods plötzlich aufgeleuchtet sind, wie lauter helle Lichter, aber dann …«
»Nichts. Ich weiß.«
Quant räusperte sich. »Einen Moment lang waren wir eingebettet in ein … ein riesiges Netz. Wir waren der Mittelpunkt, die anderen waren Erweiterungen von uns.«
»Das ist uns noch nie passiert«, meinte ich.
»Doch«, widersprach Strom, »mir schon.« Ich wusste, was er meinte: die Bären, mit denen er sich spontan vereinigt hatte. Für ein paar Stunden war er in ihren Pod eingetreten – und jetzt war dasselbe mit anderen Menschen geschehen. Völlig unmöglich.
»Die zerfallenen Pods waren schuld«, sagte Quant mit einem Seitenblick auf Jol. »Sie wollten unbedingt kommunizieren, egal mit wem.«
Jol spuckte ins Wasser. »Ich brauche keinen Pod.«
»Du sagst es, Kleine!«, rief Gueran. »Was du brauchst, ist richtiger Mann. So wie ich.«
Sie starrte ihn eisig an und wandte sich ab.
»Und was ist mit ihr?«, fragte ich und nickte in Jols Richtung. »Spürt ihr sie? Ist sie ein Teil dieses Netzes?«
Quant schüttelte den Kopf.
»Keiner weiß, was mit zerfallenen Pods passiert«, sagte Moira. »Darüber spricht man nicht.«
»Na ja, es heißt immer, sie kommen in die Singleton-Enklaven«, meinte Meda. »Und das stimmt ja offensichtlich auch.« In diesem Moment begriff ich, warum sie sich laut unterhielten: wegen mir, damit ich mich an ihrem Denkprozess beteiligen konnte. Sie wollten mich wieder in ihre Gruppe ziehen, wenn nicht über chemische Erinnerungen oder Pheromone, dann über Worte, verbalen Konsens. Ich schwieg.
»Aber was ist mit den Anstalten, den Drogen?«, fragte Moira. »Das ist doch mit keiner Moral zu vereinbaren.«
Meda wiegte den Kopf hin und her. »Wie man’s nimmt. Sie unterdrücken ja lediglich die Modifikationen, die zerfallene Pods nicht mehr brauchen. Zu deren eigenem Wohl.«
»Schwachsinn«, sagte ich.
»Wie meinst du das?«, wollte Moira wissen. Aber ich hatte keine Lust, große Reden zu schwingen, war es leid, ständig so zu tun, als gehörte ich noch zu diesem Pod. Lieber starrte ich hinaus in die Dunkelheit.
Gegen drei Uhr morgens tippte mich Gueran an. »Du brauchst Pause. Ich übernehme Steuer.«
Mit einem dankbaren Grunzen ließ ich mich von der Planke auf den Boden des Boots sinken. Meine Augen brannten von dem heftigen Gegenwind. Jol, die in ein paar Baumwolldecken gewickelt neben mir lag, schmiegte sich an mich. Ich wehrte mich nicht.
Kurz darauf spürte ich ihren Atem an meinem Ohr. »Warum willst du mich nicht?«
»Das habe ich nie behauptet.« Ich spürte, wie ich rot wurde, und war froh, dass meine Gedanken nicht nach außen drangen.
»Ich bin doch eine attraktive Frau. Meinten jedenfalls die Pfleger immer.«
»Natürlich. Aber ich hab eben noch nie …«
»Außerhalb deines Pods rumgemacht? Aber jetzt bist du doch sowieso allein.«
»Leise.« Jols Stimme war immer lauter geworden. »Wir sind eben schon seit vielen Jahren zusammen. Und irgendwann muss die Wirkung der Droge doch abklingen.« Hoffe ich zumindest, fügte ich im Stillen hinzu.
Jol zuckte die Achseln. »Und wenn nicht?«
»Weiß nicht. Auf keinen Fall gehe ich zurück in die Anstalt.«
»Ich auch nicht.« Sie küsste mich auf die Stirn. »Danke, dass du mich gerettet hast. Dabei wusste ich gar nicht, dass ich einen Retter brauche.«
»Gern geschehen.«
Diesmal küsste sie mich
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