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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schweigend da und starrten ins Feuer. Der Wind frischte auf, und Jesse holte meine Wolldecke. Sie setzte sich neben mich und legte sie uns beiden über die Schultern. Ich rückte näher an sie heran, und unsere Arme berührten sich. Das brachte mir einen misstrauischen Blick ein.
    »Tut mir außerordentlich leid«, sagte ich.

    »Egal. Es ist nicht deine Schuld, dass ich so empfindlich bin.«
    »Wessen Schuld ist es denn?«
    »Ich schätze, die von Chester Frank und Charlie Gunderson und Jim Dexter. Bobbie Joe Sims und Karl Williams, Bennie Anderson, Danny Sayles, Hank Dappy, Ben Travis, Billy ›Einauge‹ Cooper.« Sie holte tief Luft und machte weiter: »Randy Jones, Ephraim und Silas Henry, Reverend Haymarket, Jack Quincy. Habe ich Farley Hunnecker erwähnt?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Gut, also auch Farley. Und Gary Hobbs, Dix Talman, Robert E. Lee Smith, und ein Schwachsinniger namens Grunt - seinen richtigen Namen habe ich nie erfahren. Dann war da Sam Bigelow und …«
    »Grundgütiger«, sagte ich. »Wie kannst du dir so viele Namen merken?«
    »So ohne weiteres vergisst man die Namen von solchen Schweinen nicht.«
    »Was haben die dir nur angetan !«
    »Es geht nicht darum, was sie getan haben, es geht darum, was sie tun wollten.«
    »Jeder dieser Kerle?«
    »Da sind noch mehr. Du hast mich unterbrochen.«
    »Die haben alle versucht … dich rumzukriegen?«
    »Auf die eine oder andere Weise. Du musst wissen, ich hatte niemanden, der auf mich aufpasst. Vermutlich lag es zum Teil daran. Meine Ma ist bei meiner Geburt gestorben, und mein Pa war ein verdammter Säufer. Er hat es selbst ein paarmal versucht, aber das habe ich ihm ausgetrieben.«
    »Dein eigener Vater?«
    »Er war genauso mies wie der Rest. Eigentlich sogar noch mieser. Aber Clem Catlow war der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen brachte. Clem war groß wie ein Baum, ein Boxer. Er kam in die Stadt geritten, um gegen den Iren Johnny O’Rourke zu kämpfen, einer der ansässigen Jungs, und er schlug Johnny in der ersten Runde k.o. Am selben Abend ist er mir auf dem Nachhauseweg gefolgt. Ich habe in der Küche des Lone Star Steakhaus an der Third Street gearbeitet. Aber egal, er stolperte hinter mir her und raspelte Süßholz. Ich habe ihm die Meinung gesagt, aber er gehörte nicht zu den Leuten, die sich abwimmeln lassen. Schließlich hat er mich gepackt und in eine Gasse geschleift. Ich sagte mir: ›Er oder ich.‹ Ich weiß mich meiner Haut zu wehren.« Sie sah mich an.
    »Das weißt du«, sagte ich.
    »Aber ich wusste, dass ich für Clem Catlow kein Gegner war. Ein ordentlicher Hieb, und er hätte mir den Schädel eingeschlagen. Ich schrie und bettelte, aber es hatte keinen Sinn. Er hat mich zu Boden geworfen und angefangen, mir die Hose herunterzureißen, also blieb mir keine andere Wahl, und ich hab ihn umgebracht.«
    Als sie das sagte, hallte ein leises Donnern durch die Nachtluft. Es schien weit entfernt zu sein, aber wir sahen uns mit gerunzelter Stirn an.
    »Du hast ihn getötet ?«, fragte ich flüsternd, als wollte ich verhindern, dass das Gewitter meine Stimme hörte und sich auf uns stürzte.
    »Ich habe ihn mit meinem Bowie-Messer aufgeschlitzt. Ich kann dir sagen, es war ganz schön schwer, sich hinterher unter ihm hervorzuwinden. Aber ich habe es geschafft. Und dann bin ich nach Hause gerannt, hab meine Sachen gepackt, das Pferd gesattelt und mich davongemacht.«

41
    Das Gewitter
    »Ich habe auch einen Mann erstochen«, sagte ich. »Auch in einer Gasse.«
    Jesse sah mich an. »Nein!«, sagte sie.
    »Doch, tatsächlich. Er und seine Freunde wollten mich ausrauben. Dann wurde ich von einem Lynchmob verfolgt und … Tja, wäre das nicht passiert, wäre ich noch immer in England.«
    »Ist das nicht komisch? Ich schätze, ich wäre noch immer in El Paso, hätte ich Clem in dieser Gasse nicht mein Messer reingejagt. Scheint so, als hätten du und ich viel gemeinsam.«
    »Sieht so aus.«
    Lächelnd schubste sie mich mit der Schulter.
    Wieder krachte der Donner. Es hörte sich näher an als beim letzten Mal.
    »Erzähl mir mehr davon«, sagte Jesse.
    »Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte.«
    »Dann fang am Anfang an. Wir haben die ganze Nacht Zeit.«
    Ich dachte kurz nach, dann begann ich meine Geschichte mit dem Zwischenfall, mit dem eigentlich alles angefangen hatte, mit meiner Mutter, die den betrunkenen Rolfe Barnes in unser Haus brachte.
    Plötzlich wurde der Himmel in mittägliche Helle getaucht. Es donnerte

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