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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Hafen.
    Später sandte er mich für Kaffee und etwas zu essen unter Deck. Kein Zeichen von Whittle oder Trudy. Ihre Tür war noch immer verschlossen. Und das blieb sie auch, während ich eine Kanne Kaffee machte und Brot mit Marmelade bestrich. Dazu benutzte ich ein stumpfes, kleines Messer. Das brachte mich auf eine Idee, also machte ich mich auf die Suche nach einem Messer oder
einem anderen Gegenstand, der sich als Waffe benutzen ließ. Doch ich fand nur Gabeln und stumpfe Messer. Whittle hatte genug Zeit gehabt, um die Kombüse zu durchzuforsten und alles zu entfernen, was ihm hätte gefährlich werden können.
    Also gab ich es auf und trug den Kaffee und die Brote an Deck. Ich stellte mir beim Essen vor, dass Michael und ich Seeräuber auf einem großen Abenteuer wären. Unser Kurs führte nach Tortuga oder den Gesellschaftsinseln, wo die Luft warm und die Strände weiß waren und es ganze Horden braunhäutiger, barbusiger Eingeborenenmädchen gab.
    Aber ich hatte mir die Eingeborenenmädchen noch nicht richtig vorgestellt, als ich wieder Marys Brüste vor Augen hatte, und das führte zu anderen Gedanken, die genauso real und schrecklich waren, bis mir wieder bewusst wurde, dass ich mich auf einem Totenschiff aufhielt.
    Ich sah, dass unsere Tassen leer waren, also holte ich Nachschub. Die Tür war noch immer verschlossen. Allein der Anblick ließ mich schaudern.
    Ich hielt mich nicht auf, sondern eilte so schnell ich nur konnte zurück an Deck.
    Noch war das Land in Sicht, obwohl es in weiter Ferne lag, ein brauner Strich am Horizont. Hin und wieder lugte die Sonne hinter den Wolken hervor und fühlte sich ungewohnt warm und freundlich an. Michael ließ mich ans Ruder, und das Kurshalten gelang mir recht gut. Michael lobte mich, und ich fand, dass er doch kein so erbärmlicher Kerl war - für einen Feigling.
    Die ganze Zeit fiel kein Wort über Trudy oder Whittle. Allerdings muss Michael an sie gedacht haben. Ich dachte
auf jeden Fall an sie, und das war wie eine schwere, schwarze Wolke, die ich nie länger als ein oder zwei Minuten abschütteln konnte.
    Je länger die beiden eingeschlossen blieben, desto schlimmer erschien alles. Sie kamen und kamen nicht heraus. Der Morgen verstrich. Dann der Nachmittag. Gegen Sonnenuntergang, wir hatten gerade Land’s End passiert, kam Trudy den Niedergang herauf. Sie war barfuß, deshalb hörten wir sie nicht. Plötzlich stand sie genau zwischen uns. Wir starrten sie an, aber sie maß uns mit keinem Blick. Sie trug keinen Faden am Leib und war von oben bis unten mit Blut verschmiert. Das meiste davon war braun und angetrocknet. Ihr Haar war förmlich damit getränkt.
    Sie trug Patricks Kopf, hielt ihn bei den Ohren gegen den Bauch gedrückt.
    Als wäre das alles das Natürlichste auf der Welt, ging sie ganz langsam an uns vorbei zum Heck und warf den Kopf über Bord. Dann blieb sie dort stehen und starrte in die Wellen, als wolle sie dem hinter uns treibenden Kopf nachsehen, obwohl er wie ein Stein gesunken sein musste.
    Wir merkten nicht, dass Whittle auch heraufgekommen war, bevor er sich zu Wort meldete. »Einen schönen Tag, meine Lieben«, sagte er voller Elan und guter Laune.
    Er schenkte uns ein Lächeln. Nur seine Zähne und die Augen waren weiß. Der Rest seines Gesichts und der Verband waren blutverschmiert. Er trug die Kleidung vom Vortag. Der Stoff sah steif aus.
    Er warf Trudy einen kurzen Blick zu, dann betrachtete er das Meer. »Ich sehe, ihr seid während meiner Abwesenheit großartig zurechtgekommen.«

    »Mein Gott, Mann«, sagte Michael, »was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Whittle lächelte, nickte und klopfte Michael mit der blutigen Hand auf die Schulter. »Du brauchst nicht gleich …«
    Platsch!
    Wir fuhren herum. Keine Trudy zu sehen.
    »Verflucht«, murmelte Whittle. Michael stand mit offenem Mund wie angewurzelt da und glotzte. Ich stürmte zum Heck, klammerte mich am Schanzkleid fest und suchte die Wasseroberfläche hinter uns ab, während ich schon die Schuhe von den Füßen trat. Ich entdeckte Trudy. Nur ihren Kopf und die Schultern. Sie war weit hinter uns und trieb jede verstreichende Sekunde weiter ab. Ich zog mir den Pullover über den Kopf und sprang.
    Das kalte Wasser trieb mir den Atem aus den Lungen. Als ich an die Oberfläche kam, hörte ich einen Ruf und sah mich um. Whittle warf mir einen Rettungsring nach. Er landete zu kurz, und ich verlor noch mehr Zeit, da ich zu ihm hinschwimmen musste. Während ich das tat, sah ich, dass Michael

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