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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gerettet, aber die Zunge war weg. Da er aber nicht auf sie verzichten wollte, bohrte er ein Loch rein und trug sie um den Hals. Es dauerte nicht lange, und das Ding war wie ein Stück Trockenfleisch. Ich habe gehört, dass er es ein oder zwei Jahre später gegessen hat, um nicht zu verhungern, da er sein Pferd verloren hatte und sich eine Woche lang in einer Höhle verstecken musste, bis die Indianer fort waren.«
    Dieser General hörte sich offensichtlich gern reden, was mir jedoch ganz Recht war. Er erinnerte mich an Onkel William, so wie er seine grausige Geschichte genoss.
    »Ich nehme nicht an, dass du deine Zunge bei den Comanchen verloren hast«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf und streckte die Zunge heraus, so dass er sie sehen konnte. Dann strich ich mir über den Hals und stieß ein Grunzen hervor.
    »Ein Problem mit der Stimme, hm?«
    Ich nickte.
    »Das ist ein Jammer. Allerdings verschafft dir das einen Vorteil, was gewisse Unterhaltungen betrifft.«
    Als er das sagte, konnte ich ein Lachen nicht unterdrücken.
    »Der Herr in seiner Weisheit hat mir in meinem Greisenalter nicht nur eine, sondern gleich zwei Frauen aufgebürdet, und so ist dein Schweigen mächtig erfrischend.«
    Zwei Frauen! Das ließ mich alarmiert aufschauen. Was war, wenn Whittle hier eingebrochen war und das Wohnzimmer mit dem General übersehen, dafür aber die Mädchen gefunden hatte?

    Man muss mir meine Unruhe deutlich angesehen haben, denn der General winkte ab und sagte: »Oh, mach dir wegen denen keine Sorgen. Die werden kaum nach unten kommen und uns stören. Sobald sie sich für die Nacht zurückgezogen haben, bleiben sie auch im Bett …«
    »Ich fürchte, sie könnten in großer Gefahr schweben, Sir!«, stieß ich hervor.
    So viel zu der Idee, den Stummen zu spielen.
    Falls es den General überraschte, mich sprechen zu hören, ließ er es sich nicht anmerken. Er sprang mit erstaunlicher Gewandtheit auf. »Erklär das«, sagte er, drehte mir den Rücken zu, legte die Pfeife auf einen Tisch und strich ein Streichholz an.
    Während er den Glaszylinder von einer Lampe hob und den Docht entzündete, sagte ich: »Ich bin einem Mörder gefolgt. Er könnte hier sein.«
    Der General sagte kein Wort. Er trat eilig mit der Lampe in der Hand an mir vorbei und nahm einen Revolver vom Kaminsims. Es war eine riesige Waffe.
    Ich ging jede Wette ein, dass er sie zu benutzen wusste.
    »Folge mir«, befahl er. »Sei wachsam.«
    Wir schlichen aus dem Wohnzimmer, durch die Vorhalle, und dann die Treppe hinauf. Mein Herz hämmerte. Ich hoffte, dass die Frauen nicht tot waren, denn das wäre ein trauriger Verlust für General Forrest. Dennoch wünschte ich mir, wir würden Whittle finden. So sehr ich den Mann auch fürchtete, wollte ich doch nur zu gerne Zeuge sein, wie man ihn mit Blei spickte. Fünf oder sechs Kugeln in die Brust waren genau das Richtige für ihn.
    Ein Läufer auf dem Boden dämpfte unsere Schritte, dafür quietschten einige Dielenbretter. Sie würden auch bei Whittle quietschen, falls er hier entlangschlich. Aber
das war keine große Beruhigung, deshalb sah ich alle paar Sekunden über die Schulter. Als wir ein paar verschlossene Türen passierten, hatte ich jedes Mal Angst, sie könnten gleich auffliegen und Whittle würde hervorspringen. Aber sie blieben verschlossen.
    Die nächste Tür stand offen, und der General eilte ins Zimmer. Er befahl mir nicht, draußen zu bleiben, und so folgte ich ihm, da ich keine Lust verspürte, allein im Flur zu warten. Wir kamen zu einem großen Himmelbett. Whittle konnte keinesfalls hier gewesen sein, denn die Decke war nicht zurückgezogen und die Frau im Bett kein blutiger Kadaver. Nur ihr Kopf war zu sehen. Sie trug eine Nachthaube.
    Der General hatte beide Hände voll - in der einen hielt er die Lampe, in der anderen den Revolver -, also stieß er mit dem Knie gegen die Matratze. Die Frau schnaufte.
    »Aufwachen, Mable.«
    »Was is’n los?«, murmelte sie.
    »Es könnte Schwierigkeiten geben. Steh auf und komm mit, aber sei leise.«
    Sie drehte sich auf den Rücken, erblickte mich, schoss hoch und hielt sich krampfhaft die Decke vor die Brust. Sie war eine dürre, faltige alte Frau. Strähnen weißen Haars lugten unter dem Rand ihrer Nachthaube hervor. Sie blinzelte und bewegte mahlend den Kiefer. »Wer …? Was in Gottes Namen …?«
    »Pst«, sagte der General. »Komm jetzt.«
    »Aber, ich …«, murmelte sie. Doch sie verschwendete keine Zeit. Ein paar finstere Blicke in meine

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