Der Ripper - Roman
plötzlich los. Der Passagierwaggon neben uns ruckte nach vorn. Der dahinter ebenfalls. Gleich darauf setzten sich alle Waggons im Schneckentempo in Bewegung.
Der Schaffner trat einen Schritt näher an die Gleise heran. Wir blieben stehen und warteten, bis der Zug an Geschwindigkeit zugelegt hatte. Er fuhr allerdings noch immer nicht besonders schnell, als der Bremswaggon vorbeirollte.
Der Schaffner ließ ihn fast vorbeifahren, packte dann einen Haltegriff und schwang sich auf die Stufen der hinteren Plattform. Ich machte es ihm nach.
Wir betraten den Bremswaggon.
»Setz dich«, sagte der Schaffner. Ich zog den Stuhl von dem unordentlichen Schreibtisch weg. »Doch nicht dahin . Was soll das?«, schnauzte er sofort. Er deutete auf eine Sitzbank, die gegenüber einem Kanonenofen stand.
Ich setzte mich gehorsam. »Ich bin sehr dankbar, dass ich mitfahren darf«, sagte ich.
»Damit habe ich nichts zu tun. Ich muss arbeiten, also halt den Mund.«
»Ja, Sir.«
Er setzte sich an den Schreibtisch und begann, Papiere hin und her zu schieben. Und fiel beinahe vom Stuhl, als der Zug plötzlich bremste. »Verflucht!«
Er schaute mich böse an, als trüge ich die Schuld daran, und sprang auf die Füße.
Ich zuckte die Schultern, als könnte ich kein Wässerlein trüben.
»Was ist da los?«
»Keine Ahnung.«
Er eilte zu einem Fenster und steckte den Kopf hinaus. Dann rief er: »Verdammt!« Er zog den Kopf zurück, riss seinen Revolver heraus und zielte auf mich. »Du dreckiger Bastard, du hast uns reingelegt!«
»Nicht schießen! Bitte! Ich gehöre nicht zu ihnen!«
Schüsse fielen. Dem Schaffner quollen beinahe die Augen aus dem Kopf.
Er zog den Revolverhahn nach hinten und ließ los.
Ich war ein toter Mann.
Ein metallisches Klicken ertönte, kein Schuss. Ich wartete nicht darauf, dass es der Schaffner erneut versuchte, sondern sprang von der Bank und schlug nach seiner Revolverhand. Keine Sekunde zu früh. Ich hatte den Revolver kaum berührt, als sich ein Schuss löste. Der Lärm dröhnte mir in den Ohren, aber die Kugel verfehlte mich. Ich boxte den Schaffner in den Magen. Das trieb ihm die Luft aus dem Leib, und er stieß mit ziemlicher Wucht gegen die Wand.
Ich verdrehte ihm die Hand, bis er den Revolver fallen ließ, dann ging ich mit beiden Fäusten auf ihn los. Er schien nicht mehr viel Kampfgeist in sich zu haben, aber ich war wütend. Ich schlug auf ihn ein. »Ich gehöre nicht zu dieser Bande!«, schrie ich. »Das habe ich Ihnen doch gesagt ! Zur Hölle mit Ihnen!« Ich schlug weiter. »Trotzdem wollten Sie mich erschießen !« Ich ließ nicht locker. »Dazu hatten Sie kein Recht!«
Ich schrie und hämmerte weiter auf ihn ein, bis ich endlich bemerkte, dass er sich in einem Zustand befand, in dem er meine Anstrengungen nicht länger mitbekam. Ich trat einen Schritt zurück, und er sackte zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Ich hob den Revolver auf und richtete die Waffe auf ihn. Ich verspürte nicht übel Lust, ihn zu erschießen, aber dann zügelte ich mein Temperament. Ich steckte bereits in genug Schwierigkeiten, da musste ich nicht auch noch einen Eisenbahnschaffner umbringen. Er hatte mich für einen Banditen gehalten, und ich schätzte, so würden auch der Lokführer und der Heizer denken.
Wenn ich hierblieb.
Als ich dem Schaffner die Sachen auszog, wurde er wieder wach, und ich zog ihm eins mit dem Revolverlauf
über. Danach machte er mir keine Schwierigkeiten mehr. Ich schlüpfte aus dem Nachthemd und riss mir die zweckentfremdeten Ärmel von den Füßen. Dann zog ich seine Hosen, Socken, Stiefel und das Hemd an. Alles war etwas eng, aber für den Moment musste es reichen.
Ich schnallte mir den Revolvergürtel um und steckte die Waffe ins Holster.
Als ich fertig war, fing der Schaffner an zu stöhnen. Ich hielt mich jedoch zurück und verzichtete darauf, ihn noch einmal zu schlagen.
Dann leerte ich seine Taschen, denn ich wollte nichts stehlen, was ich nicht brauchte.
Er lag noch immer auf dem Boden, als ich aus dem Bremswaggon sprang. Ich landete auf dem Bahndamm. Die Bande war in der Nähe der Lokomotive. Sie hatten sich Tücher vors Gesicht gebunden, aber ich konnte sie anhand ihrer Statur und Kleider auseinanderhalten. Chase, McSween und Breakenridge stiegen gerade durch eine Seitentür in den Postwaggon.
Emmet saß im Sattel und hielt die Zügel aller Pferde. Meine Freunde, der Lokführer und der Heizer, lagen neben den Gleisen auf dem Boden. Snooker hielt sie mit seiner
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