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Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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langsam der Morgen herauf.
    Progo öffnete seine Flügel, und Meg schlüpfte ins Freie.
    »Wie geht es jetzt weiter?« fragte er sie.
    Der Cherubim wollte etwas von ihr wissen? »Ich bin nur ein Mensch«, erwiderte sie, »und noch nicht einmal erwachsen. Was erwartest du von mir?«
    »Megling, ich bin zum ersten Mal auf diesem Planeten. Er ist dein Zuhause. Charles Wallace ist dein Bruder. Du allein kennst Herrn Jenkins. Folglich mußt du entscheiden, was wir nun tun sollen.«
    Meg schüttelte zornig den Kopf. »Soviel Verantwortung kann ich nicht tragen. Ich habe mich in diese Aufgabe nicht gedrängt.«
    »Willst du dich ihr entziehen?« Proginoskes wich zurück.
    »Ich habe sie nicht freiwillig heraufbeschworen! Ich habe weder Blajeny noch dich gerufen!«
    »Wirklich nicht? Und ich dachte, du machst dir Sorgen um Charles Wallace.«
    »Das stimmt ja. Ich mache mir um alles Sorgen.«
    »Meg.« Plötzlich war Proginoskes von ernüchternder Schärfe. »Wirst du dich der Prüfung stellen? Ich muß es wissen. Jetzt, auf der Stelle.«
    Meg seufzte ergeben. »Selbstverständlich werde ich das tun. Du weißt doch, daß mir keine andere Wahl bleibt. Charles Wallace ist in Gefahr. Um ihm zu helfen, tue ich alles, und wenn es noch so verrückt ist.«
    »Dann sage mir, wie es jetzt weitergehen soll.«
    Sie rückte ihre Brille zurecht, als könne sie dann besser nachdenken. »Erst einmal muß ich frühstücken. Und dann werde ich mit dem Schulbus fahren. Er hält unten, am Fuße des Hügels. Dort solltest du vielleicht auf mich warten. Wenn du nämlich mit ins Haus kommst, könnte Fortinbras dich verbellen. Ich bin sicher, daß er deine Anwesenheit auch dann spürt, wenn du dich dematerialisierst.«
    »Wie du meinst«, sagte Proginoskes gehorsam.
    »Um Punkt sieben bin ich unten an der Straße. Der Bus macht eine große Runde und hält oft; da ich als eine der ersten zusteige, haben wir eine lange Fahrzeit vor uns.«
    Sie fühlte, wie der Cherubim sich ergeben ihrer Planung fügte; und dann löste er sich auf. Diesmal blieb er nicht einmal als Schimmer sichtbar und zog sich auch spurlos aus Megs Bewußtsein zurück.
    Sie lief zum Haus zurück und knipste die Taschenlampe an, obwohl sie den Weg auch im Dämmerlicht gefunden hätte; aber sie wollte vor etwaigen neuerlichen Überraschungen gewappnet sein.
    Als Meg zur Steinmauer kam, war Louise die Große dort. Sie wartete. Weder grüßte sie, noch griff sie an. Sie wartete.
    Meg näherte sich ihr mit Vorsicht. Louise starrte ihr aus unbewegten Augenschlitzen entgegen; das Licht der Lampe brach sich darin wie Wasser in einem tiefen Brunnen.
    »Läßt du mich bitte vorbei, Louise?« bat Meg höflich.
    Die Schlange richtete sich auf; ihr Leib schwankte leicht zum Zeichen des Erkennens. Immer noch war Louises unverwandter Blick auf Meg gerichtet. Dann ließ sie den Kopf sinken und glitt in ihre Mauerritze zurück.
    Meg war sicher, daß Louise auf sie gewartet hatte, um sie vor dem zu warnen, was ihr bevorstand – und um ihr Glück zu wünschen. Seltsam: Es war gut zu wissen, daß Louises gute Wünsche sie begleiteten.
    Zum Frühstück gab es Brei und Brötchen. Meg wollte sich dazu zwingen, möglichst viel zu essen; wußte sie denn, was der Tag ihr bescheren würde? Aber sie brachte nur ein paar Bissen hinunter.
    »Fühlst du dich nicht wohl, Meg?« fragte Mutter besorgt.
    »Doch. Bestens.«
    »Du siehst ein wenig blaß aus. Hoffentlich wirst du nicht krank.«
    Meg dachte: Sie hat um uns alle Angst. Sie fürchtet, daß auch wir diese Mitochondritis bekommen könnten. Um Mutter zu beruhigen, sagte sie: »Ach, es ist nichts weiter.« Sie lächelte. »Die üblichen Wachstumsschwierigkeiten.«
    »Ißt du das Brot noch?« fragte Sandy. »Oder kann ich es haben?«
    »Gib mir aber die Hälfte ab!« forderte Dennys.
    Charles Wallace leerte gehorsam und hartnäckig eine Schüssel voll Brei, ließ aber alles andere unberührt.
    Meg spülte ihr Geschirr sauber, trocknete es ab und stellte es in den Schrank. »Also, dann«, sagte sie. »Ich gehe jetzt.«
    »Warte auf uns!« rief Sandy.
    Sie hatte keine Lust, sich auf dem ganzen Weg zum Bus das Plappern der Zwillinge anhören zu müssen. Andererseits würde sie das Geschwätz von ihrer dummen Angst vor der Ungewissen Zukunft ablenken. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte sie an Herrn Jenkins stets voll Abneigung und Haß gedacht, manchmal auch voll blinder Wut – aber noch nie, so wie heute, voll Angst.
    Sie verließ das Haus mit der

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