Der Ritter von Rosecliff
»Du bist nach der langen Jagd bestimmt sehr müde«, sagte sie teilnahmsvoll. »Garic hat erzählt dass ihr schon im Morgengrauen aufgebrochen seid.«
»Ich und müde? Kein bisschen!«, prahlte Rhys. »Ich hätte auch noch die ganze Nacht jagen können, aber Daffydd wollte unbedingt ins Lager zurück. Jetzt bin ich froh, dass wir es getan haben. Andernfalls hätte ich dich vielleicht nicht mehr angetroffen. Wie lange wirst du dieses Mal bei uns bleiben?« Er sah sie erwartungsvoll an.
Rhonwen zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht. Eigentlich wollte ich heute gar nicht kommen, aber ... na ja, dann ist etwas passiert ... «
»Was? Geht es doch um Cadoc?«
Sie winkte ab. »Nein, mein Stiefvater ist harmlos. Ich werde ganz gut allein mit ihm fertig.«
»Was dann?«, fragte er besorgt.
»Ich ... ich bin heute auf Jasper Fitz Hugh gestoßen.«
»Was?« Der schmachtende Verehrer verwandelte sich plötzlich in einen gefährlichen Jäger. »Du bist auf ihn gestoßen? Das musst du mir genauer erklären.«
»Es war unten am Fluss ... Ich habe mit meinem Bogen auf ihn geschossen und dann versucht sein Pferd zu stehlen.« Sie erzählte ihm alles -fast alles. Rhys starrte sie grimmig an.
»Warum hat er dich laufen lassen?«
»Ich bin entkommen ... Er war immer noch betrunken, und ich konnte entkommen.«
Rhys schüttelte den Kopf. »Nein, da steckt mehr dahinter. Hat er Annäherungsversuche unternommen?«
Verräterische Röte schoss ihr in die Wangen. »Nein«, schwindelte sie trotzdem.
Er packte sie am Kinn. »Lüg mich nicht an, Rhonwen! Lüg mich nie an! Ich weiß doch, was die Frauen von ihm sagen. Er hat offenbar das besondere Talent Weiber zu umgarnen.«
»Woher willst du wissen, was Frauen reden?«
Rhys räusperte sich verlegen. »Ich habe da so meine Methoden ... «
»Methoden?« Rhonwens Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Du fragst die Frauen aus, mit denen er im Bett war?« Plötzlich dämmerte ihr die Wahrheit. »Du schläfst mit denselben Frauen wie er, stimmt's?«
Seine trotzige Miene erinnerte an den kleinen Jungen von einst. »Das geht dich nichts an, Rhonwen. Selbst wenn es stimmen sollte - was ist schon dabei? Er spioniert uns aus, ich spioniere ihn aus. Das ist mein gutes Recht.«
»Und was ist mit den Frauen, mit denen ihr euch amüsiert? Vergleichen sie ihre beiden Liebhaber?«
»Die Weiber haben ihren Spaß, und das ist mehr als sie verdient hätten. jede Frau, die sich mit einem Engländer einlässt, ist eine Hure und Verräterin!«
»Verstehe ... Nun, ich glaube, ich werde einige dieser Verräterinnen fragen, wie du im Vergleich mit Fitz Hugh abschneidest.« Sie wandte sich zum Gehen, aber er hielt sie am Arm fest.
»Was soll das heißen? Was hat dieser verdammte Engländer mit dir gemacht?« Rhys packte auch ihren zweiten Arm und schüttelte sie grob. »Was hat er getan? Und was hast du getan?«
Die anderen Männer starrten neugierig zu ihnen hinüber, doch keiner kam Rhonwen zu Hilfe. Alle hatten Angst vor Rhys' Wutausbrüchen. Nur Rhonwen war viel zu wütend, um Angst zu haben. Sie schleuderte ihm die Wahrheit ins Gesicht.
»Er wollte mich verführen, und es wäre ihm beinahe gelungen. Aber als ich ihn bat mich gehen zu lassen, hat er es getan.«
Rhys schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum? Das sieht ihm so gar nicht ähnlich.«
»Weil ich vor vielen Jahren deinen Vater daran gehindert habe, ihm eine Hand abzuhacken. Dafür ist er mir dankbar.«
»Du Luder! Wenn du dich damals nicht eingemischt hättest wäre mein Vater noch am Leben. «
»Na, na, Junge, das sind doch uralte Geschichten«, rief Fenton aus sicherer Entfernung. »Ihr wart beide Kinder, und außerdem wollte Rhonwen ihrer Freundin Josselyn helfen.«
»Dieser Schlampe!«
»Wir Frauen sind deiner Ansicht nach allesamt Luder und Schlampen, nicht wahr?« Rhonwen versuchte sich loszureißen, aber er hielt sie unerbittlich fest. »Lass mich sofort los, Rhys! Du tust mir weh.«
Seine kalten schwarzen Augen bohrten sich in ihre, und sie las darin, dass er sie am liebsten erwürgt hätte. Trotzdem hielt sie seinem Blick ruhig stand. »Lass mich endlich los!«, befahl sie wieder in strengem Ton.
Unflätig fluchend gehorchte er. »Hau ab von hier und lass dich nie wieder blicken! Kriech in sein Bett und werde eine Schwester all der anderen ... «
»Luder?«, schlug sie vor.
»Huren!«, tobte Rhys. »Schlampen! Und du wirst bald auch eine sein! «
»Du hast keinen Grund, mich zu beschimpfen,
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