Der Ritter von Rosecliff
konnte er nicht umhin, sie zu bewundern. Josselyn hatte aus dieser rauen Burg ein gemütliches Zuhause für ihren Mann und ihre Kinder gemacht, und sie war noch attraktiver als vor zehn Jahren - fraulicher, gewandter im Auftreten, eine selbstsichere Burgherrin. Freilich hatte Jasper sich schon oft gewünscht sie wäre nicht so scharfsinnig.
Josselyn zog einen gepolsterten Hocker an seinen Lehnstuhl heran und nahm anmutig darauf Platz. »Also«, begann sie sofort ihr Verhör. »Du kommst spät zurück - allein und nass. Du versäumst das Mittagessen und rührst das Abendessen kaum an. Was ist los, Jasper? Wirst du anderswo besser verpflegt und badest du jetzt ohne dich vorher ausgezogen zu haben?«
Er zuckte mit den Schultern und grinste verlegen. »Ich bin in den Fluss gefallen - aber es wäre mir sehr lieb, wenn du niemandem etwas davon erzählst.«
»Verstehe ... Und hast du unter Wasser vielleicht einen Fisch verschluckt? Oder hat dir Odos Essen heute einfach nicht geschmeckt?«
»Doch, doch ... ich hatte nur keinen Appetit ... « Jasper schnaubte erbittert. »Wie ich den Tag verbracht habe, geht keinen etwas an! Rand hätte mich wenigstens mitnehmen müssen, wenn er mir schon nicht zutraute, ihn würdig zu vertreten.«
Josselyn seufzte. »Das ist eine ernsthafte Angelegenheit. Simon Lamonthe ist nicht zu trauen - möglicherweise wird sein Bündnis mit Matilda -nicht von langer Dauer sein.«
»Aha, und weil es eine ernsthafte Angelegenheit ist durfte ich Rand nicht begleiten?« Wütend leerte Jasper seinen Becher auf einen Zug.
»Auf einer solchen Reise muss man auf übermäßigen Alkoholgenuss verzichten können, lieber Schwager - und auch auf Schäferstündchen!«
Jasper rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum und mied ihren Blick. Dass sie ihm das Trinken vorwarf, konnte er ja noch verstehen, aber seine Weibergeschichten gingen sie nichts an. »Ich hätte Rands Mission nicht gefährdet«, knurrte er störrisch.
Nach längerem Schweigen fragte Josselyn: »Wo warst du heute? Bei wem?«
»Verdammt du hast kein Recht mich zu verhören!«, brauste Jasper auf.
»Da irrst du dich gewaltig«, sagte Josselyn ruhig. »Rand hat dir Rosecliffe anvertraut und du verschwindest spurlos für den ganzen Tag.«
Jasper wusste selbst wie unverantwortlich er gehandelt hatte. »Also gut ich geb's zu«, stöhnte er. »Ich war wütend auf Rand und wollte mich mit einer Frau und mit Wein trösten.«
»Du warst aber weder bei Maud noch bei Gert.«
Er starrte sie fassungslos an. »Du hast mich bei ihnen suchen lassen?« Zum ersten Mal seit Jahren bekam er einen hochroten Kopf. »Woher... woher weißt du ... «
»Ich habe meine Informationsquellen, und deshalb weiß ich auch, dass du weder im Städtchen noch in Carreg Du warst.« Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Also - wo hast du diesen Tag verbracht?«
»Himmel und Hölle!«, fluchte Jasper. »Rand hätte dich nach Bailwynn schicken sollen. Du würdest Simon Lamonthe in wenigen Tagen all seine Geheimnisse und Pläne entlocken.«
Josselyn lächelte, schaute ihn aber weiterhin erwartungsvoll an, und er beschloss, ihr reinen Wein einzuschenken. »Ich bin in den Fluss gefallen, weil eine Person aus deinem Freundeskreis mich ermorden wollte.«
»Ermorden?« Josselyn schnappte erschrocken nach Luft und griff sich an die Kehle. »Oh, Jasper, begreifst du jetzt endlich, warum du nie allein unterwegs sein solltest? Alle wissen, wer du bist und das macht dich zur idealen Zielscheibe für Anschläge. Hast du den Attentäter erkannt? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand von meinen Freunden eine solche Tat begehen würde.«
»Nein, ich habe sie nicht erkannt - jedenfalls nicht auf den ersten Blick.«
»Sie?« Josselyn zog ihren Hocker noch näher an seinen Stuhl heran. »Es war eine Frau, die dich ermorden wollte?« Sie runzelte die Stirn. »Hoffentlich erlaubst du dir keinen üblen Scherz mit mir, Jasper! Sollte das der Fall sein, wirst du ... «
Er fiel ihr ins Wort. »Ich wünschte, es wäre nur ein übler Scherz. Nein, eine alte Freundin von dir und mir wollte mein Herz mit einem Pfeil durchbohren.«
»Welche Freundin würde so etwas tun?«
Jasper grinste über ihre Ungeduld. »Ein kleines Mädchen, das zur Frau herangewachsen - ist. Eine Kriegerin mit langen schwarzen Haaren und ... «
»Rhonwen?« Josselyn starrte ihn mit großen Augen an. »Rhonwen? Bist du ganz sicher, dass sie es war?«
»Sie hat mir selbst ihren Namen
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