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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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keuchend. Er hatte uns mittlerweile eingeholt. Sein Gesicht zeigte einen Grauschleier, vermischt mit den dicken Poren der Gänsehaut.
    »Er hätte zu Hause bleiben sollen!« keuchte er. »Verdammt noch mal, er hätte sich verkriechen müssen.«
    »Da ist das Mädchen!«
    Suko stand etwas versetzt und besaß einen besseren Blickwinkel als wir. Der Nebel hüllte den Galgen nicht ein.
    Am Gerüst des Galgens stand Nabila. Ihre Haltung ließ den Schluß zu, daß man sie gefesselt hatte. Sie rührte sich nicht. Drei Helfer und ihn sahen wir ebenfalls.
    Aconagua hatte sich nicht verändert. Er trug die gleiche Kleidung, nur über sein Gesicht schien jemand mit mehreren Pinselstrichen eine graublaue Metallicfarbe gestrichen zu haben.
    Er starrte uns entgegen. Nichts rührte sich, kein Xucken lief über Wangen oder Mundwinkel.
    Die drei Helfer, mit Lendenschurzen bekleidet, umstanden ihn im Halbkreis, daraufgefaßt, den Herrn und Meister und sich selbst zu schützen, wenn es darauf ankam.
    Mein Hals war trocken geworden. Im Magen lag eine drückende Angst. Nicht um mich oder meine Freunde, nein, mir ging es mehr um das gefesselte Mädchen. Ich wollte verhindern, daß es das gleiche Schicksal erlitt wie der Fotograf.
    »Ich hole mir Aconagua!«
    »Das machen wir zusammen, John!«
    »Nein, wartet, bis Verstärkung eingetroffen ist!« Abe Douglas warnte uns.
    Wir schlugen seine Worte in den Wind. Mit einem Schritt hatten wir die Plattform betreten.
    Niemand rührte sich.
    Ich zog meine Waffe. Das Kreuz hatte ich griffbereit in der Tasche. Neben mir stand Suko. Mit der Peitsche schlug er einen Kreis über den Boden. Die drei Riemen fuhren aus der Öffnung, klatschten gegen das Holz.
    Ich wollte angreifen, nickte Suko bereits zu, als wir beide einen Ruck spürten.
    Galgen und Gestell vibrierten. Wir hörten das Ächzen und Quietschen der Holzräder.
    Dann fuhren wir an und erlebten, daß der rollende Galgen seinem Namen alle Ehre machte…
    ***
    Ich vergaß mein Vorhaben des Angriffs und erlebte gemeinsam mit Suko eine geisterhafte Reise.
    Beide hatten wir bereits Dimensionsreisen hinter uns, waren durch Magie in anderen Welten gelandet, doch so etwas wie hier war uns noch nie vorgekommen.
    Auf dem Galgenpodest stehend, rollten wir den Broadway hoch in Richtung Norden. Der Galgen zitterte, er schaukelte, er gab knarrende Geräusche von sich, aber er wurde durch kein Hindernis aufgehalten. Wir hatten, so irre es auch klingen mag, trotz des starken Verkehrs freie Fahrt.
    Die anderen Fahrzeuge glitten an uns vorbei. Zwei Welten hatten sich getroffen, wobei die eine von der anderen keine Notiz nahm. Für Aconagua war unsere Welt in diesem Augenblick nicht vorhanden. Nicht allein die Fahrzeuge fielen mir auf oder die lichtsprühenden Reklamen, es waren vielmehr die staunenden Gesichter der Autofahrer. Manche bremsten hart, andere, die nicht achtgaben, fuhren auf. Das Chaos blühte.
    Längst war die Polizei eingetroffen. Die Cops hatten sich einen Weg gebahnt. Sie kamen mir mit ihren Waffen, an die sie sich zu klammern schienen, irgendwie lächerlich vor.
    Sie standen da und staunten den Galgen an, der, eingehüllt in eine Nebelwolke, davonglitt wie ein leichtes Schiff über einen See. Wir vernahmen auch keine Stimmen, der Galgen war eine Welt für sich. Es traute sich niemand, nach ihm zu fassen, geschweige denn, ihn zu betreten.
    Sie ließen ihn rollen…
    Uber das Ziel wußten wir nicht Bescheid, aber Aconagua wollte nicht länger in nördliche Richtung fahren, er wendete mitten auf dem Broadway.
    »Okay, John, das reicht«, sagte Suko, wobei ich mich noch über seine Stimme wunderte, denn sie klang so, als wäre sie durch dicke Watte gedämpft worden.
    »Sollen wir…?« Ich redete nicht mehr weiter, denn ich hörte mich seltsam an.
    Da stimmte etwas nicht…
    Aconagua wußte dies. Er verzog das Gesicht. Aus dem Mund wurde eine grinsende, breite Kerbe.
    Suko schüttelte kaum sichtbar den Kopf. Ich kannte ihn und wußte das Zeichen zu deuten. »Im Kellerhaben ihnen die Riemen nichts anhaben können«, flüsterte er, »jetzt aber sind sie verändert.«
    »Versuche es!«
    Suko schlug zu. Er tat es wie immer, holte aus, gab der Peitsche beim Schlag eine gewisse Drehung, so daß die Riemen, wenn sie auf ein Ziel zufielen, auseinanderfächerten.
    Eine völlig normale Sache, überhaupt nichts Ungewöhnliches, doch wir erlebten die große Enttäuschung. Suko spürte sie noch stärker als ich. Die drei Riemen der Dämonenpeitsche fielen

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