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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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es gibt eine Möglichkeit.«
    Der alte Indianer nickte sehr langsam. »Ja, uralte Zaubersprüche. Totengedichte. Wenn man sie spricht, hat man die Möglichkeit, Kontakt mit dem Jenseits zu bekommen.«
    »Das ist doch schon etwas.«
    »Ich weiß nur nicht, ob es gelingt.«
    Suko klopfte ihm auf die Schulter. »Du mußt es jedenfalls versuchen. Wir werden auch nicht im Hotel übernachten, sondern bei dir den Rest der Nacht verbringen.«
    Joseph erschrak. »Im Block?«
    »Wo sonst?«
    »Das ist gefährlich. Sehr gefährlich sogar. Ihr werdet nur von Feinden umgeben sein.«
    Ich winkte ab. »Das sind wir eigentlich gewohnt, wenn man es so nimmt. Keine Sorge, wir packen es.«
    »Daß ihr euch nur nicht irrt!«
    »Komm, laß uns fahren.«
    »Womit?«
    Zwei Querstraßen weiter löste sich das Problem von selbst, als wir eines der gelben Taxis anhielten, die durch New York fuhren. Der Fahrer hatte natürlich vom Chaos auf dem Broadway gehört und fragte uns, ob wir wüßten, was sich dort abspielte.
    »Nein«, sagte ich. »Keine Ahnung.«
    ***
    Der Block lag im Dunklen! Nicht, daß keine Straßenlaternen gebrannt hätten, mir ging es allein um den Klotz nahe der Brücke, in dem die Indianer wohnten. Auch dem Fahrer war die Tatsache aufgefallen, daß hinter den Fensten kein Ficht brannte.
    »Hatten die Stromausfall?« fragte er, als ich ihm das Geld für die Fahrt gab.
    »Das werden wir gleich feststellen.«
    »Wollen Sie da hinein?«
    »Was dagegen?«
    Er lachte meckernd. »Nein, überhaupt nicht. Passen Sie nur auf, daß man Sie nicht mit den Füßen zuerst wieder rausbringt. Nur ein guter Ratschlag. Ich kenne mich aus, Sie sind kein New Yorker, aber ich lebe hier schon verdammt lange.«
    »Danke für die Warnung.«
    Suko und Joseph warteten vor der Tür, die diesmal verschlossen war.
    »Hast du eine Erklärung?« fragte ich den alten Indianer. Der hob die Schultern. »Nicht direkt. Ich weiß, daß so etwas in den letzten Tagen nicht vorgekommen ist. Diese Nacht muß einfach eine besondere sein.«
    »Und sie ist noch nicht zu Ende.«
    »Das stimmt auch, John.«
    »Was könnten wir denn erwarten?«
    Joseph hob die Schultern. »Ihr dürft mich das nicht fragen. Ich weiß es nicht. Menschen wie Aconagua sind eben unberechenbar. Sie lassen sich von den Geistern der Toten leiten, und ich weiß, daß in seinem Körper der Geist des aufgehängten Häuptlings steckt. Seine Seele findet einlach keine Ruhe. Diese Schmach kann ein Indianer nicht verkraften. Er muß seine Ehre wiederherstellen.«
    »Durch Blut — oder?«
    »So ist es.«
    »Nur ist es das Blut Unschuldiger. Das stört mich, Joseph.«
    »Mich auch.«
    »Bist du noch immer bereit, uns zu helfen?«
    »Ich habe es versprochen, und ein Mensch meines Stammes hält sein Wort!« erwiderte er fast trotzig. »Sorry.«
    Joseph lächelte. »Schon gut. Ich weiß ja, wie es in euch Weißen aussieht. Ihr seid eben so.«
    Wir nahmen ihm seine Worte nicht übel, weil er ja recht hatte. Die Eingangstür war nicht nur verschlossen, sondern auch abgeschlossen worden. Während Joseph nach seinem Schlüssel tastete, schauten Suko und ich noch einmal an der Fassade hoch.
    Sie lag tatsächlich im Dunkeln, wo der Schein der Straßenlaternen nicht hineinreichte. Noch finsterer wirkten die viereckigen Ausschnitte der Fenster. Wenn mich nicht alles täuschte, waren die, die ich sehen konnte, samt und sonders geschlossen. Und das bei der Hitze. Konnte es sein, daß sich die Bewohner vor irgend etwas fürchteten? Ich sprach Joseph darauf an.
    »Das kann schon sein«, sagte er. »Vielleicht sind ihnen die Dinge über den Kopf gewachsen.«
    Da die Tür klemmte, half Suko mit, sie aufzudrücken. Obwohl wir Teile des Hauses bereits kannten, überkam mich das Gefühl, eine andere Welt zu betreten.
    In den Fluren ballte sich die Dunkelheit. Die Luft war kaum noch zu atmen. Um sie zu beschreiben, reichte das Wort dumpf nicht mehr aus. Nicht ein Luftzug wehte durch die aufgeheizten Flure - und, was ich als noch schlimmerempfand, es warauch nichts zu hören. Hier konnte tatsächlich von einer Totenstille gesprochen werden. Kein Geräusch, nicht einmal das Weinen eines Kindes oder die Stimmen aus einem Fernseher waren zu hören. Dieses Haus hatte man getötet, es lebte nicht mehr.
    Ich konnte mir sehr leicht vorstellen, daß es den Menschen ähnlich ergangen war.
    Auch wir senkten unsere Stimmen, als wir uns unterhielten. Die Worte wurden flüsternd gesprochen.
    »So etwas habe ich noch nie erlebt«, sagte

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