Der rollende Galgen
das Böse irgendwelche Erbschaften hinterlassen hatte. Ich blieb neben ihm stehen. Vor uns war der Torbogen angestrahlt. Er wirkte imponierend. »Spürst du was?«
Joseph nickte. »Und?«
»Er war hier«, wisperte er. »Ich bin mir sicher, daß er hier gewesen ist, glaub mir.«
Ich stellte keine weiteren Fragen. Der Mann mit dem Topfhut, aus dem die Feder schaute, hatte für so etwas eine Nase. Er ging noch einige Schritte nach vorn und hob die Schultern. »Nicht einmal Reste sind vorhanden«, flüsterte er. »Keine Nebel mehr, nichts…«
»Dann ist der Galgen wieder unterwegs.«
Joseph drehte sich um. Als er nickte, hielt er den Topfhut fest. »Das befürchte ich auch.«
»Laß uns zurückgehen«, schlug ich vor. »Wenn er sich tatsächlich auf den Weg gemacht hat, werden wir in unserem Wagen schneller sein.«
Joseph schaute mich aus großen Augen an. Ich wurde stutzig. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Im Prinzip nicht. Aber wir müssen davon ausgehen, daß es für den Galgen normalerweise keine Hindernisse gibt. Er wird die Zeiten durchdringen können.«
»Gar nicht schlecht gedacht«, gab ich zu. »Also könnten wir damit rechnen, daß er urplötzlich erscheint.«
»Aus dem Nichts!« fügte er noch hinzu.
Wohl war mir nicht, als ich neben Joseph herging und wir am Dienstwagenb stehenblieben.
»Nichts, wie?« fragte Abe.
»So ist es.« Ich wollte wieder meinen Platz am Lenkrad einnehmen, da saß schon der G-man.
»Mir geht es wieder etwas besser. Ich werde fahren.«
»Wie du willst.«
»Der Polizeifunk hat auch nichts gemeldet. Anscheinend hat noch niemand den Galgen entdeckt.«
»Vielleicht erscheint er auch gar nicht«, sagte Suko.
Joseph lachte. »Ich wollte, du hättest recht. Doch so ein Glück werden wir kaum haben.«
Wir fuhren weiter in nördliche Richtung, ohne den rollenden Galgen gesehen zu haben.
Noch immer befanden wir uns auf dem Broadway.
Dann passierte es.
Vor uns glühten die Bremsleuchten der Fahrzeuge auf. Kein sanftes Bremsen wie normalerweise üblich. Nein, diesmal traten die Fahrer hart auf die Pedale.
Reifen radierten über den Belag. Irgendwo vor uns krachten Wagen ineinander. Blech verschob sich, Hupen ertönten, und auch Abe Douglas hatte gestoppt.
Uns fuhr niemand auf, aber wir wußten auch, daß dieser Stau keine natürliche Ursache besaß.
»Nichts wie raus!« rief ich und öffnete bereits die Tür. Ich konnte sie nicht ganz aufstoßen, weil dicht neben mir ein weißer Mercedes stand, aus dem ein bunt gekleideter Neger stieß, der sich suchend umschaute und dabei tobte.
Im Wagen saß noch ein Girl. Eingewickelt in ein weißes Kleid, das noch auf den Oberschenkeln endete.
Jeder Fahrer hatte die gleiche Idee gehabt wie wir. Suko, Joseph und ich mußten uns eine Gasse bahnen.
Was auf dem Broadway genau vorgefallen war, konnten wir nicht sehen. Zahlreiche Lichter tanzten über die Karosserien der Fahrzeuge. Die New Yorker machten ihrem Ärger durch lautes Fluchen Luft. Ändern konnten sie damit auch nichts. Joseph blieb zurück, während Suko und ich uns den Weg durch die schmalen Räume zwischen den abgestellten Fahrzeugen bahnten.
Schon sehr bald konnten wir etwas erkennen. Zwar sahen wir den Galgen noch nicht, dafür jedoch die Nebelinsel mitten auf dem Broadway. Nebel und Galgen, das gehörte zusammen. Uns war klar, wo dieses Mordinstrument stehen mußte.
Um schneller voranzukommen, griff ich zum einfachsten Mittel und hetzte über die Dächer der Autos. Mancher Much begleitete mich. Man schnappte nach meinen Knöcheln, ich war immer schneller und hatte bald den Rand der Nebelinsel erreicht, wo auch einige Fahrzeuge zusammengestoßen waren.
Jetzt sah ich den Galgen!
Alle sahen ihn, aber niemand traute sich, das Podest, auf dem er stand, zu betreten.
Es war ein eindrucksvolles, unheimliches und gleichzeitig grausames Bild. In der Nähe des Galgens waren die Gespräche der Zuschauer verstummt. Es wußte keiner so recht, welchen Kommentar er abgeben sollte. Der Anblick hatte die Menschen stumm werden lassen. In der Ferne wimmerten die Sirenen der Polizeiwagen. Kaum einer würde sich durchkämpfen können.
Ich sprang vom Dach eines Ford direkt neben Suko. Er war schneller gewesen als ich. Wo wir uns aufhielten, standen nur wenig Gaffer. Niemand traute sich näher.
Der Anblick war auch zu schrecklich. Auf dem Podest stand das Gerüst mit den beiden Balken. In der Schlinge hing ein Toter. Es war William Penn, der Fotograf!
Abe Douglas sagte es
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