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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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quietschten, der Galgen fuhr allein in den Nebel und fand zielsicher seinen Weg.
    Er schlug einen nördlichen Kurs ein.
    Manhattan sollte die Nacht des Todes erleben. Die Abrechnung zwischen zwei verschiedenen Rassen…
    ***
    Wir fuhren langsam, um nach Verdächtigem Ausschau halten zu können. New York lebte, New York kochte. Besonders als wir über den unteren Broadway rollten, wo Chinatown rechterhand lag. Dieses Viertel leuchtete bunt wie ein Jahrmarkt. Wahre Menschentrauben verschwanden in den zahlreichen Nebenstraßen, die durch andere Gassen wiederum labyrinthartig verbunden waren. Douglas hatte meinen skeptischen Blick bemerkt. »Eines will ich dir sagen, John. In Chinatown zu arbeiten ist alles, nur kein Vergnügen. Da läufst du gegen eine Wand, wenn du da einen Fall aufklären willst. Drei, vier Familien beherrschen die Szene. Die sind ähnlich organisiert wie die Mafia.«
    Der G-man hatte von Italien gesprochen. Nördlich von Chinatown lag Little Italy, auch eine Welt für sich. Quirlig, voller Leben und Temperament.
    Menschenmassen waren unterwegs. In dieser so schwülen Nacht hielt es kaum einer hinter den Mauern der Häuser.
    Wir trieben im Strom der Fahrzeuge. Auch auf der Gegenfahrbahn herrschte entsprechender Verkehr.
    Douglas rief zwischendurch bei seiner Zentrale an und meldete, daß er mit uns auf Patrouille war. Von Erfolgen oder Mißerfolgen erwähnte er nichts.
    »Wir müssen es in dieser verdammten Nacht packen«, sagte er, »sonst sehe ich schwärzer als schwarz.«
    »Wieso?«
    »Über unseren Köpfen schwebt das Schwert des Erfolgs. Gewisse Theoretiker, auch Politiker genannt, sind bereits stocksauer. Es darf keinen fahrenden Galgen in New York geben. Das verstehst du doch — oder?«
    »Kaum.«
    »Ich auch nicht.«
    Wir rollten weiter. Joseph und Suko saßen schweigend hinter uns. Hin und wiederhörten wir den Indianer seufzend atmen. Ich dreht den Kopf. Er saß dort zusammengesunken und knetete seine Finger. »Was hast du?«
    Er blickte auf die Uhr. »Mitternacht ist vorbei«, gab er leise zurück. »Ich glaube, daß er schon erschienen ist.«
    »Nur ein Gefühl?«
    »Ja.«
    »Mal sehen. Vielleicht treffen wir ihn am Washington Square.«
    »Ich kann mir auch kaum vorstellen«, sagte Suko, »daß er die Fifth Avenue hoch rollt.«
    »Aconagua fühlt sich als Rächer«, widersprach Joseph. »Er glaubt, seine absolute Stärke erreicht zu haben. Wir alle werden Lins noch wundern, daß sage ich euch.«
    »Woher weißt du das?«
    »Es ist das Gefühl, John. Das verdammte Gefühl.«
    Ich wollte nicht widersprechen, denn auch ich war ein Mensch, der sich auf seine Gefühle verließ.
    Die unmöglichsten Gestalten bevölkerten die Gehsteige. Man konnte es auch anders ausdrücken. Jeder war hier ein Individulist, ließ sich in keine Schublade stecken und war stolz darauf, es auch nach außen hin zu dokumentieren.
    Daß Farbige, wie man häufig behauptet, Musik im Blut haben, bekamen wir dokumentiert. Besonders die Schwarzen bewegten sich geschmeidig und tänzelnd durch den Menschenstrom.
    Der Dienstwagen war zwar mit einer Klimaanlage ausgerüstet, nur hatte Abe sie nicht eingeschaltet. Es hätte nicht viel gebracht. Das Fahrzeug hatte zu lange in der Hitze gestanden. Eine Klimaanlage braucht immer ein paar Minuten, bis sie auf Touren kommt.
    So strömte New Yorker Nachtluft in den Wagen. Sie brachte die unterschiedlichsten Gerüche mit.
    Dann rollten wir durch Greenwich Village. Das beben und Treiben war unbeschreiblich.
    In diesem Viertel befand sich auch der Washington Square mit dem Torbogen. Bäume schützten ihn. Eicht flutete fahnengleich durch das dichte Laubwerk.
    »Sehen wir nach?« fragte ich.
    »Wäre besser.«
    »Und wo parke ich?«
    »Egal.«
    Wir kamen dicht an den kleinen Park heran. Auf der Ostseite stellte ich den Wagen ab.
    Abe wollte bleiben. Joseph und ich entschlossen uns, allein den Park zu betreten.
    Auch hier war die Luft nicht besser, zudem war es furchtbar schwül. Wir sahen den gewaltigen Torbogen, aber keinen rollenden Galgen und auch keinen Nebel, so wie ihn William Penn fotografiert hatte. Das Brausen des Verkehrs umgab den Park wie eine nie abreißende Geräuschkulisse.
    Ich schaute Joseph an, der einige Schritte vorgegangen war, jetzt stehenblieb und seinen Kopf wie witternd vorgestreckt hielt. Er spreizte die Arme vom Körper und bewegte beide Hände kreisförmig. Dabei blieben auch seine Finger nicht ruhig. Mir kam es vor, als würde er in der Luft nachtasten, ob

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