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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Dummheit, aber keine Schande war. Zweifellos hatte er sich nur vergewissern wollen, daß der Busch gut versorgt und in voller Blüte war. Dabei habe er einen Missetäter, der den Strauch zerstören wollte, auf frischer Tat ertappt. Natürlich habe er versucht, ihn daran zu hindern, sei jedoch vom Angreifer niedergestochen worden. Ein ehrbarer Tod, ein christliches Begräbnis. Warum erwähnen, unter welchen Konflikten und Qualen der Junge gelitten hatte?
    In der Zwischenzeit mußte Cadfael jedoch eine Frau zufriedenstellen, die gewiß das Recht hatte, alles zu erfahren.
    Es wäre ohnehin nicht leicht, Judith anzulügen oder es mit der Wahrheit nicht genau zu nehmen. Sie würde sich nur mit der reinen Wahrheit zufriedengeben.
    Da die Sonne inzwischen das Blumenbeet unter der Nordmauer des Gartens erreichte und der Rand des tiefen Fußabdrucks noch vor der Mittagszeit trocken und bröckelig werden würde, borgte sich Cadfael an Ort und Stelle einige Kerzenreste von Niall. Er schmolz sie in einem kleinen Tiegel des Schmieds und füllte behutsam den Stiefelabdruck aus.
    Vorsichtig nahm er dann den geronnenen Abdruck heraus. Er mußte an einem kalten Ort aufbewahrt werden, um nicht seine Konturen zu verlieren. Zur Sicherheit hatte Cadfael sich außerdem einen Rest dünnen Leders besorgt und den Abdruck sorgfältig abgezeichnet. Er hatte die Stelle markiert, wo Hacke und Zehe abgenutzt waren, und den quer über den Fußballen laufenden Riß eingezeichnet. Früher oder später würden diese Stiefel beim Flickschuster landen, denn sie waren viel zu wertvoll, um fortgeworfen zu werden, ehe sie unrettbar verschlissen waren. Oft wurde so ein gutes Schuhwerk über drei Generationen weitergegeben, bevor es schließlich fortgeworfen wurde. Eines Tages, grübelte Cadfael, würde der Stadtvorsteher Corviser oder ein anderer Handwerker aus seiner Zunft diesen Stiefel in Händen halten. Man konnte nicht wissen, wie bald, aber Gerechtigkeit braucht manchmal ihre Zeit. Jedenfalls würde man die Angelegenheit nicht vergessen.
    Judith erwartete ihn bereits in Nialls ordentlichem, schlichtem und strengem Wohnzimmer. Es war der Raum eines allein lebenden Mannes, aufgeräumt und sauber, aber bar jener kleinen Ausschmückungen, die eine Frau angebracht hätte. Die Türen standen noch weit offen. Gefiltert durch das zitternde Grün der Bäume fiel durch zwei Fenster goldenes Sonnenlicht herein und erfüllte den Raum. Sie scheute das Licht nicht, sondern saß in der Sonne, deren Licht sie bebend umspielte, wenn draußen ein Wind aufkam. Sie war allein, als Cadfael aus dem Garten zurückkehrte.
    »Der Schmied hat einen Kunden«, erklärte sie mit einem leichten Lächeln. »Ich bat ihn zu gehen, der Mann muß sich doch um sein Geschäft kümmern.«
    »Ihr aber auch«, erwiderte Cadfael und legte den Wachsabdruck vorsichtig auf den Steinboden, wo der Luftzug ihn abkühlen konnte.
    »Das will ich auch bald wieder tun. Ihr braucht Euch nicht um mich zu sorgen, ich habe große Achtung vor dem Leben. Um so mehr«, fügte sie ernst hinzu, »da ich nun schon wieder den Tod aus solcher Nähe gesehen habe. Nun erzählt! Ihr habt es mir versprochen.«
    Er setzte sich neben sie auf die ungepolsterte Bank und erzählte ihr alles, was an diesem Morgen geschehen war - Elurics Abwesenheit beim Gottesdienst, Niall, der gekommen war und berichtet hatte, daß er die zusammengekrümmte Leiche und den zerstörten Busch gefunden habe, daß man zuerst sogar an eine vorsätzliche Beschädigung und Selbstmord geglaubt habe, bevor die Zeichen mehr und mehr in eine andere Richtung gewiesen hätten. Sie hörte ihn aufmerksam und schweigend an, die grauen Augen groß und klug.
    »Dennoch«, wandte sie schließlich ein, »kann ich es nicht verstehen. Ihr redet, als sei nichts weiter dabei, daß er in der Nacht die Enklave verlassen hat. Dabei wißt Ihr, daß es äußerst ungewöhnlich ist, wenn ein junger Bruder so etwas wagt. Ich dachte, er sei gehorsam und pflichtbewußt gewesen und habe noch nie eine Regel gebrochen. Warum hat er es dann plötzlich getan? Was kann ihm so wichtig gewesen sein, daß er heimlich, verbotenerweise und des Nachts zum Rosenstrauch ging? Was hat der Strauch ihm bedeutet, daß er so ungehorsam war?«
    Zweifellos war ihre Frage aufrichtig. Sie war noch nicht auf die Idee gekommen, daß sie selbst den Seelenfrieden des jungen Bruders gestört hatte. Sie wollte eine Antwort bekommen, und sie sollte die Wahrheit erfahren. In diesem Punkt hätte der Abt

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