Der Rosenmord
Bruder Eluric in die Abtei bringen?«
»Wir sollten alles beachten, was es hier zu sehen gibt, Ehrwürdiger Vater. Etwas will ich Euch noch zeigen, Ihr sollt selbst sehen, was hier geschehen ist, nachdem der Regen aufgehört hatte. Der Boden war weich, als die beiden aufeinandertrafen. Das sieht man an den Spuren im Boden.
Rücken und Schultern der Kutte des Jungen sind trocken.
Können wir ihn herumdrehen? Hier sind genug Zeugen, die aussagen können, wie er aufgefunden wurde.«
Sie bückten sich, hoben den langsam starr werdenden Körper hoch und legten ihn ausgestreckt auf dem Rücken aufs Gras. Von der Kehle bis zu den Zehen war die Vorderseite seiner Kutte vom Gras feucht. Auf der linken Brust war ein großer dunkler Fleck von geronnenem Blut. Sein Gesicht, das Zorn, Furcht und Schmerz gezeigt haben mochte, hatte jede Spannung verloren und war im Tod wieder jugendlich glatt und unschuldig. Nur seine halbgeöffneten Augen verrieten noch die Sorge einer verzweifelten Seele. Radulfus bückte sich noch einmal und drückte seine Augen zu. Dann wischte er den Schlamm von den bleichen Wangen.
»Ihr nehmt eine große Last von meinem Herzen, Cadfael. Ihr habt gewiß recht, er hat sich nicht selbst das Leben genommen, sondern wurde grausam und heimtückisch umgebracht, und der Mörder muß den Preis dafür bezahlen.
Aber wenigstens kann dieses Kind hier wie ein Christ bestattet werden. Hätte ich am Anfang besser auf ihn achtgegeben, dann könnte er noch leben.« Er legte die beiden jungen Hände zusammen und faltete sie über der blutigen Brust.
»Ich habe tief geschlafen«, erklärte Cadfael. »Ich habe nicht gehört, wann der Regen aufhörte. Kann es jemand von Euch sagen?«
Niall war etwas näher gekommen und wartete geduldig, ob man ihn brauchte.
»Er muß etwa um Mitternacht aufgehört haben«, schaltete er sich jetzt ein. »Denn bevor wir unten in Pulley ins Bett gingen, öffnete meine Schwester noch einmal die Tür und sah hinaus.
Sie meinte, der Himmel habe sich aufgeklärt und verspreche eine schöne Nacht. Aber da war es schon zu spät, um mich noch auf den Heimweg zu machen.« Und um auf ihre fragenden Blicke eine Antwort zu geben, fuhr er fort: »Meine Schwester und ihr Mann und die Kinder können bezeugen, daß ich bei ihnen übernachtete und im Morgengrauen aufbrach.
Man könnte natürlich einwenden, daß eine Familie in jedem Fall zusammenhält. Aber ich kann Euch die Namen von zwei oder drei anderen sagen, die ich heute morgen auf dem Rückweg durch die Vorstadt grüßte. Auch sie können es bezeugen.«
Der Abt sah ihn erschrocken an, dann verstand er.
»Solcherlei Überprüfungen sind Sache des Sheriffs«, erklärte er. »Ich zweifle nicht daran, daß Ihr uns die Wahrheit gesagt habt. Ihr meint also, der Regen habe um Mitternacht aufgehört?«
»Ja, Ehrwürdiger Vater. Pulley ist nur drei Meilen entfernt, also wird es hier wie dort dasselbe gewesen sein.«
»Das paßt«, sagte Cadfael, der über der Leiche kniete. »Er muß vor sechs oder sieben Stunden gestorben sein. Und da er kam, nachdem der Regen aufgehört hatte, als der Boden noch feucht und weich war, sollten wir viele Spuren finden. Hier haben sie im Kampf den Boden aufgewühlt, es ist nichts zu erkennen. Aber auf die eine oder andere Weise sind sie in der Nacht hereingekommen, und nur einer ging wieder hinaus.«
Er stand auf und rieb sich die feuchten Hände. »Bleibt stehen, wo Ihr seid, und seht Euch genau um. Vielleicht haben wir bereits eine wichtige Spur zertrampelt, aber wenigstens tragen wir Mönche, einschließlich Eluric, alle Sandalen. Niall, wie seid Ihr heute morgen hereingekommen, als Ihr ihn fandet?«
»Durch die Haustür«, erklärte der Bronzeschmied und nickte in die entsprechende Richtung.
»Und wie kam Bruder Eluric, wenn er einmal im Jahr die Rose holte?«
»Durch die Pforte vom Hof aus wie wir jetzt. Er war immer sehr zurückhaltend und bescheiden.«
»Dann ist er in der vergangenen Nacht, da er ja keine bösen Absichten hatte, gewiß auf dem gleichen Weg gekommen wie immer. Laßt uns sehen«, sagte Cadfael, indem er vorsichtig durch das Gras zur Pforte an der Mauer ging, »ob es hier noch Spuren von Füßen gibt, die keine Sandalen trugen.«
Der Gartenweg, vom Regen in Schlamm verwandelt, jetzt aber wieder getrocknet und glatt und weich, hatte ihre Fußtritte gut aufgenommen: drei Paar flache Sandalen, deren Abdrücke hier und dort übereinanderlagen. Oder waren es sogar vier?
Viele Menschen trugen
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