Der Rosenmord
verwitwet ist, glauben die Freier, müßte ihre Entschlossenheit doch so weit geschwächt sein, daß sie irgendwann endlich nachgibt und zum zweiten Mal heiratet.
Vielleicht hat einer von ihnen die Geduld verloren.«
»Namen zu nennen«, sagte Hugh freundlich, »kann mitunter gefährlich sein, aber einen Mann als Freier zu bezeichnen, heißt noch nicht, ihn zugleich als Entführer und Mörder zu brandmarken. Und da Ihr so weit gegangen seid, Master Coliar, mögt Ihr hier unter uns auch noch den letzten Schritt tun.«
Miles leckte sich die Lippen und wischte sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn. »Natürlich versucht jeder Geschäftsmann, sein Geschäft zu vergrößern, Mylord. Es gibt mindestens zwei Handwerker in der Stadt, die nur zu froh wären, Judiths Geschäft in die Hand zu bekommen. Wir arbeiten mit beiden zusammen, und beide wissen genau, was Judith wert ist. Da ist zunächst Godfrey Füller, der unsere Vliese färbt und die fertigen Tücher walkt. Er würde sicher gern auch Herr über die Spinnerei und Weberei werden und alles unter seiner Fuchtel haben. Dann ist da der alte William Hynde, der zwar verheiratet ist, aber auf einem Umweg doch an den Besitz der Vestiers herankommen könnte. Er hat einen Sprößling, der tagein, tagaus um sie wirbt. Der Junge hat freien Zugang zu ihr, weil sie sich seit der Kindheit kennen. Der Vater könnte ihn als Köder für die Frau benutzen, auch wenn er seine Börse zugeknöpft hat und nicht mehr die Schulden des Jungen zahlen will. Und der Sohn – ich glaube, wenn er ihre Gunst gewinnen könnte, hätte er für den Rest seines Lebens ausgesorgt und brauchte nicht mehr nach der Pfeife seines Vaters zu tanzen, sondern könnte ihm ins Gesicht lachen. Das ist aber noch nicht alles. Unser Nachbar, der Sattler, ist genau im richtigen Alter, um sich zu verheiraten, und hat Judith auf seine ungeschickte Weise für passend erklärt. Unser bester Weber hält sich für einen guten Handwerker und einen gutaussehenden Mann, er hält sich beinahe für hübscher als sie und glotzt sie seit einer Weile mit Schafsaugen an, wenn sie es auch, glaube ich, überhaupt nicht bemerkt. Und mehr als ein gutaussehender reisender Händler hat ein Auge auf sie geworfen und sucht sich gut zu verheiraten.«
»Kaum zu glauben, daß einer unserer ehrbaren Handwerker zu Mord und Entführung greifen sollte«, wandte der Abt ein, der eine so schwere Unterstellung nicht unwidersprochen lassen wollte.
»Aber der Mord«, gab Hugh sogleich zurück, »scheint in Schrecken und Furcht ausgeführt worden zu sein, wahrscheinlich war er nicht beabsichtigt. Ein Mann aber, der sich so weit hat hinreißen lassen, könnte ohne weiters auch ein zweites Verbrechen begehen.«
»Dennoch scheint es mir gewagt, denn nach allem, was ich über die Frau weiß oder höre, läßt sie sich sicher nicht leicht überreden. Ob gefangen oder frei, sie hat bisher allen Schmeicheleien widerstanden und wird es auch weiterhin tun.
Ich weiß natürlich auch«, sagte Radulfus wehmütig, »welche Macht die Meinung der Leute hat. Nach einer Entführung könnte sie es für geraten halten, lieber nachzugeben und den Entführer zu heiraten, als den Skandal und das böse Blut zwischen den Familien zu ertragen. Aber diese Frau, so scheint mir, könnte selbst einem solchen Druck widerstehen. Und so hätte ihr Häscher nichts gewonnen.«
Miles holte tief Luft, fuhr sich mit der Hand durch die hellen Locken und zerzauste sein Haar noch weiter. »Ehrwürdiger Vater, was Ihr sagt, ist wahr. Judith ist stark und wird sich nicht leicht brechen lassen. Aber es gibt noch Schlimmeres! Eine durch Vergewaltigung erzwungene Heirat wäre nichts Neues.
Ist Judith erst versteckt und befindet sich, jeder Fluchtmöglichkeit beraubt, in der Gewalt eines Mannes, dann bleibt diesem, wenn Schmeichelei und Überredung nicht nützen, immer noch die Gewalt. So etwas ist immer wieder passiert. Der Sheriff kann sicher bezeugen, daß dies bei Adligen wie bei gewöhnlichen Leuten geschieht. Selbst ein Händler aus der Stadt könnte zu diesem Mittel greifen. Und ich weiß, daß meine Cousine, wenn ihre Tugend erst verloren ist, es für angebracht halten könnte, die Schande durch eine Heirat zu beheben, so schrecklich diese Zuflucht auch sein muß.«
»Schreckliche Aussichten!« stimmte Radulfus voller Abscheu zu. »Dazu darf es nicht kommen. Hugh, hier ist auch unser Haus verpflichtet. Wir sind durch den Vertrag und das Geschenk beteiligt, und Ihr dürft
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