Der Rosenmord
über uns verfügen, soweit wir Euch helfen können, um die arme Frau zu finden – nehmt Euch Männer, Geld, was immer Ihr wünscht. Fragt nicht lange – nehmt es Euch! Und auch mit Gebeten werden wir nicht geizig sein. Es besteht immer noch die Möglichkeit, daß ihr gar nichts geschehen ist, daß sie aus eigenem Willen heimkehrt und sich über unsere Aufregung und unseren Schrecken wundert. Aber für den Augenblick müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen und davon ausgehen, daß wir einen Menschen suchen, der in Gefahr schwebt.«
»Dann machen wir uns am besten gleich ans Werk«, sagte Hugh und stand auf, um sich zu verabschieden. Miles war schon nervös auf den Beinen und wäre aufgeregt als erster zur Tür hinausgestürmt, hätte sich nicht Cadfael, zum erstenmal in dieser Besprechung, zu Wort gemeldet.
»Master Coliar, Eure Cousine erzählte mir, sie zöge in Erwägung, die Welt zu verlassen und ins Kloster zu gehen.
Schwester Magdalena hat, wie ich glaube, vor einigen Tagen mit ihr darüber gesprochen. Wußtet Ihr davon?«
»Ich wußte, daß die Schwester zu Besuch kam«, erwiderte Miles und riß die blauen Augen auf. »Doch ich erfuhr nicht, was sie beredeten, und ich fragte auch nicht. Das war allein Judiths Angelegenheit. Sie hat manchmal davon gesprochen, doch in der letzten Zeit nicht mehr so oft.«
»Habt Ihr sie ermutigt?« erkundigte sich Cadfael.
»Ich habe mich weder in der einen noch in der anderen Richtung geäußert. Es ist ihre Entscheidung. Ich will sie bestimmt nicht ins Kloster drängen«, sagte Miles energisch, »aber ich wäre ihr auch nicht im Weg, wenn es das wäre, was sie wirklich will. Wenigstens«, fügte er, plötzlich bitter werdend, hinzu, »wäre das ein gutes, friedvolles Ende gewesen. Jetzt weiß nur Gott, in welch verzweifelter und schrecklicher Lage sie ist.«
»Ein pflichtbewußter, liebender Vetter«, bemerkte Hugh, als er mit Cadfael über den großen Hof ging. Miles marschierte gerade mit seinem zerzausten Haar durchs Torhaus hinaus. Er wollte in die Stadt, zum Haus und zum Geschäft in der Straße Maerdol, wo es vielleicht Neuigkeiten gab. Eine schwache Hoffnung, aber immerhin.
»Er hat allen Grund dazu«, überlegte Cadfael. »Wären nicht Frau Perle und das Geschäft der Vestiers, dann wären er und seine Mutter lange nicht so gut gestellt wie jetzt. Er hat alles zu verlieren, falls sie nachgibt und einer Heirat zustimmt. Er hat seiner Cousine viel zu verdanken, und wie man hört, hat er es ihr mit Treue und Fleiß vergolten. Er arbeitet schwer und gut, und das Geschäft blüht. Kein Wunder, daß er sich jetzt Sorgen um sie macht. Höre ich da einen gewissen Unterton in Eurer Stimme, Hugh? Traut Ihr ihm nicht über den Weg?«
»Doch, ich traue ihm. Er weiß sowenig wie Ihr oder ich, wo das Mädchen ist, das ist klar. Ein Mann kann sich bis zu einem gewissen Punkt verstellen, aber ich kenne keinen, der absichtlich schwitzen kann. Nein, Miles sagt die Wahrheit. Er ist losgerannt, um nach ihr zu suchen und die Stadt auf den Kopf zu stellen. Und das muß ich auch tun.«
»Sie hatte nur einen so kurzen Weg«, sagte Cadfael nachdenklich. Trotzdem war sie verschwunden. Ihr mußte tatsächlich etwas Unvorhergesehenes zugestoßen sein. »Der Wächter am Tor sprach mit ihr. Danach mußte sie nur noch die Brücke überqueren und dieses kurze Stück die Hauptstraße entlang bis zu unserem Torhaus laufen. Einen Fluß zu überqueren, einen kurzen Gang auf offener Straße, und in diesen paar Minuten verschwindet sie.«
»An den Fluß«, erklärte Hugh aufrichtig, »habe ich schon gedacht. Man kann diese Möglichkeit nicht ausschließen.«
»Wahrscheinlich doch. Es sei denn, ein Unglück ist geschehen. Durch die Heirat mit einer toten Frau kann sich niemand bereichern. Davon würde nur ihr Erbe profitieren, und der – ich nehme doch an, daß der Junge ihr nächster Verwandter ist? – ist außer sich und macht sich, wie Ihr selbst gesehen habt, ihretwegen große Sorgen. Er scheidet also aus.
Ein Freier aber, der sich zu einem drastischen Schritt entschieden hat, dürfte sie eher zu einem sicheren Ort fortgelockt haben, ohne sie zu verletzen.
Wir brauchen nicht um die Frau zu trauern, noch nicht. Sie ist so sicher verwahrt wie die Goldstücke eines Geizkragens.«
Bis zur Vesper und noch darüber hinaus schlug Cadfael sich mit dem Problem herum. Von der Brücke bis zum Torhaus der Abtei zweigten nur drei Fußwege von der Hauptstraße ab. Zwei auf der rechten Seite, einer
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