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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gewöhnlichen, gesetzestreuen und geachteten Handelsmann, aber ein Mann, der mit einer relativ harmlosen Tat begonnen und dabei unabsichtlich einen Mönch getötet hatte, konnte nicht mehr als gewöhnlich gelten.
    Cadfael überquerte die Hauptstraße und drang in den Hain ein. Er trat vorsichtig auf, um zu den ohnehin schon reichlich vorhandenen Spuren nicht noch neue hinzuzufügen. Hier spielten oft die Jungen der Vorstadt mit ihren lärmenden Hunden, unter Tränen verfolgt von kleineren Kindern, die nicht ernst genommen wurden und nicht an den Spielen teilnehmen durften, weil ihre Beinchen noch zu kurz waren, um das Tempo der Größeren zu halten. In den abgeschiedenen Lichtungen trafen sich im Dunkeln Liebespaare und drückten kleine Nester ins Gras. Es bestand kaum Hoffnung, dort etwas Brauchbares zu finden.
    Er wandte sich wieder zur Straße und ging die paar Schritte bis zu dem Weg, der zur Gaye hinunterführte. Direkt vor ihm lag die Steinbrücke, dahinter erhoben sich die hohe Stadtmauer und der Turm über dem Tor. Sonnenlicht lag auf der Straße und den Mauern und gab dem Stein einen cremefarbenen Glanz.
    Der Severn, dessen Pegel etwas höher war als sonst um diese Zeit im Sommer, floß glänzend mit täuschender Gemächlichkeit und Sanftheit, doch Cadfael wußte genau, wie schnell dieser glatte Strom war und welch mächtige Strömungen es unter der den blauen Himmel spiegelnden Oberfläche gab. Die meisten jungen lernten das Schwimmen und Laufen praktisch gleichzeitig. An einigen Stellen war der Severn tatsächlich so sanft und mild, wie seine Oberfläche versprach, doch hier, wo er sich in einer engen Schlinge um die Stadt legte und nur von einem Ufer zugänglich war, da das andere von den Burgmauern überragt wurde, war sein Wasser gefährlich.
    Konnte Judith Perle schwimmen?
    Für Mädchen war es nicht so leicht, sich einfach auszuziehen, über die grasbewachsenen Ufer zu rennen und im Wasser herumzuspringen, wie es die Jungen taten, und manche Mädchen konnten überhaupt nicht schwimmen.
    Ungehindert und allein hatte Judith die Brücke betreten; der Wächter hatte sie dabei beobachtet. Unwahrscheinlich, daß jemand es gewagt hatte, sie dort anzugreifen, wo der Wächter einen Schrei sofort gehört hätte und aufmerksam geworden wäre. Also war sie bis zu der Stelle gekommen, an der Cadfael jetzt stand. Und dann? Soweit man wußte, war sie seitdem nicht mehr gesehen worden.
    Cadfael ging zur Gaye hinunter. Dieser Pfad war gut ausgetreten und nicht mit Gras bewachsen. Auf der Landseite wichen die Büsche allmählich vom Wegrand zurück, bis offener Grund vor ihm lag. Dichtes Buschwerk stand auf der Flußseite, auf dem Hang bis zum Wasser hinunter und sogar noch unter dem ersten Brückenbogen, wo einst eine Bootsmühle verankert gewesen war, die zum Antrieb die Kraft der Strömung genutzt hatte. Dicht am Wasser zweigte ein flußabwärts führender Fußweg ab, und daneben lagen die Abteigärten im fruchtbaren Land. Drei oder vier Brüder ernteten Salat und Kohl. Weiter hinten lagen die Obstgärten – Apfel und Birne und Pflaume, Süßkirsche, zwei große Walnußbäume und niedrige Stachelbeerbüsche, die gerade erst zu blühen begannen. Am Ende der Ebene stand eine stillgelegte Mühle, und ganz hinten wurde das Abteiland durch ein Maisfeld begrenzt. Dort unten erstreckte sich hügeliges Waldland bis zum Fluß hinab. Die Bäume, denen das wirbelnde Wasser die Erde unter den Wurzeln wegfraß, neigten sich über den Fluß.
    Jenseits des breiten Flusses erhob sich Shrewsbury wie ein gewaltiges, grünes Haupt, das die Stadtmauer als Krone trug.
    Durch zwei oder drei kleine Pforten konnte man die Gärten und Wiesen unterhalb der Mauer erreichen. Im Falle eines Angriffs ließen sie sich leicht blockieren, und der Ausblick von einer so hoch liegenden Festung erlaubte es, jeden Feind rechtzeitig zu bemerken. An der einzigen nicht vom Wasser geschützten Stelle lag die Burg und schloß das letzte Stück des Kreises. Ein gut befestigter und schöner Ort, den König Stephen dennoch vor vier Jahren im Sturm genommen hatte und seitdem durch seine Sheriffs halten ließ.
    Dieses weite Abteiland, dachte Cadfael, während er brütend das üppig wachsende Grün überblickte, kann von Hunderten von Häusern in der Stadt überblickt werden. Wie viele Augenblicke mag es am Tag geben, da bei diesem Wetter niemand aus dem Fenster oder unten vom Flußufer herübersieht? Wann ist kein einziger Angler dort, wann sind keine Frauen da,

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