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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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die Wäsche aufhängen, wann spielen und baden keine Kinder? Am frühen Morgen mochten es weniger Menschen sein, aber einige doch gewiß. Sie hatten nichts von einem Kampf oder einer Flucht gehört oder von jemand, der ein schweres, wie ein Mensch geformtes Bündel geschleppt hätte.
    Nein, Judith wurde nicht auf diesem Weg entführt. Unser Land liegt offen und unschuldig. Das einzige Versteck ist hier, neben der Brücke oder darunter, wo Büsche und Bäume Deckung geben.
    Er zwängte sich durch die Büsche, deren Tau seine Sandalen und seinen Rocksaum benetzten, zum Brückenbogen. Der Tau verdunstete langsam; nur hier im tiefen grünen Schatten hatte er sich noch ein wenig gehalten.
    Nach der Schneeschmelze im Frühjahr war das Wasser unter der Brücke erst einen Fuß unter den Höchststand gesunken und hatte einen ausgebleichten Saum aus Gras und Wasserpflanzen hinterlassen. Abgesehen vom Tau konnte man hier trockenen Fußes gehen. Nicht einmal im Winter oder auf dem Höhepunkt der Schneeschmelze kam der Fluß näher als sechs Fuß an die Spitze des Brückenbogens heran. Das Grün wuchs üppig und verfilzt, gut genährt von der fruchtbaren, feuchten Erde.
    Jemand war vor ihm hier gewesen. Die Gräser waren geteilt und geknickt, nachdem mindestens einer, wahrscheinlich mehrere Menschen, vorübergekommen waren. Das war nicht ungewöhnlich, denn bei ihren Streichen und Spielen strolchten die Kinder überall herum. Weniger gewöhnlich war die tiefe Rinne, die in die feuchte Erde gedrückt war und sich bis ins Gras der Böschung hinaufzog. Hier war vor kurzem ein Boot an Land gezogen worden. An der Stadtseite der Brücke lagen immer Boote am Ufer, deren Besitzer in der Stadt waren. Auf dieser Seite nur selten.
    Cadfael hockte sich hin und untersuchte den Boden. Im Gras konnte sich kein Fußabdruck halten, aber ganz unten, auf einem schmalen Streifen nackter Erde, war mindestens ein Mann auf den feuchten Boden getreten. Er war im Schlamm ausgeglitten, und der Abdruck war verwischt. Vielleicht waren es sogar zwei Männer gewesen, denn auf beiden Seiten der Schleifspur des Bootes waren verwischte Fußabdrücke im Schlamm zu sehen.
    Wäre er nicht in die Hocke gegangen, er hätte nie das Ding gesehen, das nicht hierhergehörte, denn unter dem Brückenbogen gab es kein Sonnenlicht, in dem es glitzern konnte. Aber da lag es, in den aufgewühlten Schlamm getrampelt. Ein metallischer Streifen wie ein rotgoldener Strohhalm, nicht länger als das oberste Glied seines Daumens.
    Er zupfte es heraus, und dann lag es in seiner Hand. Eine winzige Pfeilspitze ohne Schaft, etwas verformt vom Fuß, der daraufgetreten war. Er spülte sie im Fluß aus und ging ins Sonnenlicht.
    Und jetzt sah er, was es wirklich war: Ein Bronzedreieck, wie es am Ende von Gürteln angebracht wurde, damit das Leder nicht ausfranste. Ein kunstvoll gearbeitetes Stück, mit Nieten und Stanzen sorgfältig am Gürtel befestigt. Ohne Gewaltanwendung konnte so ein Ding nicht aus seiner Verankerung gerissen werden.
    Cadfael machte auf der Stelle kehrt, eilte den steilen Pfad zur Straße hinauf und ging mit höchster Geschwindigkeit durch die Vorstadt zurück.

7. Kapitel
    »Das gehört ihr«, erklärte Niall, nachdem er das Bronzestück verwundert und erschrocken betrachtet hatte. »Ich kenne es, wenn ich es auch nicht gemacht habe. Es gehört zu dem Gürtel, den sie am Morgen, an dem ich Bruder Eluric fand, mitnahm. Ich habe die neue Schnalle passend zu diesem Ding hier und zu den Rosetten um die Löcher gemacht. Ich kenne es genau, es gehört ihr. Wo habt Ihr es gefunden?«
    »Unter dem ersten Brückenbogen, wo ein Boot an Land gezogen und versteckt worden war.«
    »Um sie fortzuschleppen! Und dieses Ding – in den Schlamm getreten, sagt Ihr. Seht her. Nachdem es angepaßt worden war, hat man es mit dem Muster im Leder festgehämmert. Selbst nach Jahren und nachdem das Leder vom Gebrauch weicher, dünner und vielleicht etwas fettig geworden war, konnte es sich nicht ohne weiteres lösen. Man mußte den Gürtel recht grob anfassen, um es abzureißen.«
    »Und damit natürlich auch die Frau«, stimmte Cadfael grimmig zu. »Ich war mir nicht ganz sicher, denn als sie an jenem Tag den Gürtel nahm, habe ich ihn nur kurz gesehen.
    Aber Ihr könnt Euch nicht irren. Und jetzt weiß ich es auch.
    Immerhin ein Schritt, der uns weiterbringt. Ein Boot also – natürlich die einfachste Möglichkeit, sie fortzuschaffen.
    Niemand kommt zu nahe, niemand fragt nach der Fracht,

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