Der rostende Ruhm
der Hochadel, standen vor allem die Privatpatienten, die umschmeichelten Insassen der Kliniken.
Es klopfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, trat Direktor Bernsteg ins Zimmer. Er war bereits auf dem Wege zum Chefzimmer unterrichtet worden und gab Teschendorff, Brigitte und Baron v. Boltenstern die Hand. Professor Bergh übersah er. Er nickte ihm nicht einmal zu. Hinter Bernsteg kam der Krankenpfleger Wortischek ins Zimmer. Muffig, mürrisch, wortkarg wie immer stellte er sich an die Tür und sagte mit dunkler Stimme: »'n Tag!«
Brigitte Teschendorff zog ihre Hand zurück, als Fritz Bernsteg sie drücken wollte. Bergh war hinter seinen Schreibtisch getreten. Er bebte noch innerlich vor Erregung – aber nach außen hin zeigte er eine Kälte, die alle, die ihn kannten, als gefährlich ansahen. »Herr Bernsteg!« sagte Professor Bergh leise.
»Bitte …« Bernsteg wandte sich um. Sein Gesicht war hochmütig und lang wie ein Pferdekopf.
»Wir haben das große Glück, die Herren des Kuratoriums vor uns zu haben. Sicherlich hat man Sie auf dem Wege zu mir unterrichtet, um was es sich handelt. Die Informationen in diesem Haus sind ja blendend, wie ich mir habe sagen lassen. Sie gehen schneller von Mund zu Mund wie überseeische Nachrichten per Kurzwellen.« Bergh stützte sich auf die Tischplatte und beugte sich zu Bernsteg vor. »Um es kurz zu machen – denn ich habe als Arzt wichtigere Dinge zu tun, als mich mit Verwaltungsbeamten zu unterhalten! – frage ich Sie und verlange – ich verlange und bitte nicht! – von Ihnen eine klare Antwort: Haben Sie hinter meinem Rücken die Stationsschwestern und Stationsärzte angehalten, mit Materialien und notwendigen Pflegemitteln sparsamer umzugehen?«
»Muß ich darauf antworten?« fragte Bernsteg. Er wandte sich an Teschendorff und v. Boltenstern.
Der Baron nickte eifrig. »Sprechen Sie.«
»Ja –«, sagte Bernsteg hart.
»Ja?« brüllte Bergh. »Wollen Sie zum Mörder unserer Patienten werden?!«
Bernsteg trat ein paar Schritte zurück und ging zur Tür. Sein langes Gesicht war bleich und verkniffen. »In diesem Ton lasse ich nicht mit mir reden! Ich leite seit siebzehn Jahren die Verwaltung des Krankenhauses. Alles war gut, und alles ging reibungslos, bis Professor Bergh kam! Wir hatten sogar Überschüsse – was bei einer Klinik selten ist.«
»Ja, ja, – darauf kommt es an! Überschüsse! Mit dem Elend der Kranken wuchern, mit den Sterbenden Geld verdienen!«
Bergh starrte Direktor Bernsteg an. Bernsteg sah an die Decke des Zimmers und wippte auf den Fußspitzen auf und nieder. Es war eine solche Mißachtung in seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck, daß nur die begütigende Hand Brigittes einen neuen Ausbruch Berghs zu verhindern vermochte. »Ich verlange von Ihnen: zwei neue Assistenzärzte, drei Vollschwestern, fünf Einbettzimmer als Anfang einer Frischoperierten-Abteilung – eine Infektionsstation – drei Sauerstoffzelte …« Bergh fuhr herum. »Sie hatten mir versprochen, daß ich hier alles vorfinden würde, was man mir an einer großen Klinik, in Deutschland etwa, bieten könnte. Sie haben mir ein Großlabor versprochen, eine großzügige Umgestaltung des Krankenhauses, die Anschaffung modernster Geräte, die uns für die Große Chirurgie prädestinieren – Sie haben mir alles versprochen! Nach dem, was ich in den Wochen bisher gesehen und erlebt habe, muß ich dies als eine arglistige Täuschung ansehen, mit der Sie mich in Ihr Haus gelockt haben!«
»Bravo!« rief Brigitte.
Baron v. Boltenstern lächelte mokant.
»Ich warte noch auf eine Antwort, Herr Teschendorff«, sagte Professor Bergh.
»Wir müssen alle Pläne dieser Art auf das nächste Jahr verlegen. Das ist ein Beschluß des gesamten Kuratoriums«, fügte er schnell hinzu, als Bergh wieder auffuhr. »Meine einzelne Meinung ist da nicht maßgebend.«
»Und das Verhalten von Herrn Bernsteg und diesem Wortischek da.« Es war das erstemal, daß Wortischek angesprochen wurde. Aller Augen wandten sich um. Er stand mürrisch neben der Tür, an die Wand gelehnt, und hatte die Hände in den Taschen seines Krankenpflegerkittels. Sein breites Gesicht war braungelb wie bei einem Kreolen.
»Was ist mit Wortischek?« fragte Direktor Bernsteg. »Er ist seit zehn Jahren bei uns. Keiner hat sich bisher über ihn beschwert. Er ist bei den Patienten beliebt …«
»Bis auf die, die er ins Badezimmer rollt und verrecken läßt!« schrie Bergh. Er hatte das Gefühl zu schwitzen – aber als er
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