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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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    Der Autor des Glasperlenspiels war ein alternder und bei Beendigung der vieljährigen Arbeit ein schon alter Mann. Je älter ein Autor wird, desto mehr hat er das Bedürfnis, genau und gewissenhaft zu sein und nur von Dingen zu sprechen, die er wirklich kennt. Die Frauen aber sind ein Stück Leben, das dem Alternden und Alten, auch wenn er sie früher reichlich gekannt hat, wieder fernrückt und geheimnisvoll wird, worüber etwas Wirkliches zu wissen, er sich nicht anmaßt und traut. Die Spiele der Männer dagegen, soweit sie geistiger Art sind, die kennt er durch und durch, dort ist er zu Hause.
    Ein Leser mit Phantasie wird sich in mein Kastalien hinein alle klugen und geistig überlegenen Frauen von Aspasia bis heute schaffen und vorstellen.
     
    KZ Dachau Nico Rost
    Wie ich seit längerem vermutete, sind einige meiner Freunde verwundert und erstaunt, weil ich Bücher über katholische Heilige lese.
    Andere, die mich nicht gut kennen, lächeln vielsagendund scheinen zu denken, daß ich auf dem besten Wege bin, um katholisch zu werden.
    Ist es denn so sonderbar, daß ich mich für den Lebenslauf von Menschen interessiere von denen einige wohl zu den bedeutendsten Erscheinungen des Kulturlebens gehören, wie etwa Augustinus. Franziskus von Assisi, Albertus Magnus, Thomas von Aquino und andere?
    Ich selber bin eigentlich nur darüber erstaunt, daß ich sie nicht schon längst gelesen habe und daß viele meiner hiesigen Freunde sie überhaupt nicht kennen.
    Abends
    Die Franzosen sterben hier tatsächlich wie die Fliegen. In Block 3 starb heute, in demselben Bett, in dem der französische Musiker gelegen hat, wieder einer seiner Landsleute: der Pädagoge Georges Lapierre. An Flecktyphus, wie die meisten. Er muß es schon seit Tagen gehabt haben, denn eine Stunde nach seiner Einlieferung war es bereits vorbei...
    Suire erzählte mir, daß er L.s Namen kennt, seit vielen Jahren. Er war ein berühmter Pädagoge und ein intimer Freund Professor Langevins. Er hat auch ein Monatsheft herausgegeben, »L’Ecole Libératrice«, an dem unter anderem Duhamel mitarbeitete.
     
    Dresden Otto Griebel 1895–1972
    Ich wußte von meinen Angehörigen noch immer nichts, und nachdem der Freitag ruhig verlaufen war, beschloß ich, mit Jack am Nachmittag nach unserem Haus zu schauen, um meine neue Anschrift als Lebenszeichen dort an die Mauer zu schreiben.
    Wir benutzten den Possendorfer Autobus, der bis zum Sedanplatz verkehrte. Es war ein eigentümliches Gefühl für mich, als wir ihn bestiegen und in rascher Fahrt die Südvorstadt erreichten, die ziemliche Zerstörungen aufwies. Besonders dem Polytechnikum war arg mitgespielt worden. An den Trümmern der Amerikanischen Kirche und am bischöflichen Palais vorbei wandten wir uns der Lucas-Kirche zu, deren Turmspitze gleich einer Zipfelmütze herabhing.
    Je mehr wir der Werderstraße nahekamen, desto grausiger ward das Chaos. Mit Mühe nur konnte man sich durch die Schuttberge der noch rauchenden Hausruinen bewegen, und nicht selten lagen verkohlte Tote, die kaum mehr menschlich wirkten, vor den Kellern. Viele der Toten waren zugedeckt und zeigten nur ihre bloßen Füße oder versengten Haarschöpfe. Ein Stück weiter erblickten wir zwei fast zum Skelett verkohlte Leichen, die sich eng umschlungen hielten; sie muteten seltsam klein an, waren im Feuer zusammengeschrumpft.
    An der Strehlener Straße sah es besonders schlimm aus. Eine wächserne Hand griff aus dem Schutt ins Nichts, daneben aufgedunsene Pferdekadaver und die Wracks von Straßenbahnwagen und Autos. Darüber hingen die gerissenen Oberleitungen der Elektrischen. Es war wirklich ein Bild des Unterganges und des Todes, wie man es sich nicht grausiger ausmalen konnte. An der Ecke der Ostbahnstraße bemerkten wir, daß das Haus, welches wir 16 Jahre bewohnt hatten, wohl ausgebrannt war wie alles hier, aber noch ganze Mauern besaß: das hätte ich diesem alten, windigen Bau nie zugetraut. Auch die Unterführung des Bahnkörpershatte gehalten. Ein Polizist, welcher grobe, lange Handschuhe trug, kam uns entgegen und fragte, ob wir in der Werderstraße Leichen entdeckt hätten. Er schien den Auftrag zu haben, mit anderen straßenweise die Keller auszuräumen, und ich bedeutete dem Manne, daß dort Arbeit für ihn genug sei.
    Gegenüber der Englischen Kirche legten zwei Polizisten eben den furchtbar zugerichteten Leichnam eines älteren Menschen auf eine der Bänke. Dem blutverkrusteten Toten hingen die Sachen nur noch in

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