Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
ging, weiß ich nicht mehr. Von nun an bestand unser Leben für sehr lange Zeit nur noch im Einpacken, mühsamer Schlepperei, Verstauen und wieder Umräumen unserer Sachen.
Watnall, Nottinghamshire Joan Wyndham *1922
Unser großer Tag ist gekommen: Wir ziehen in die Buxton Hall um. So ein gemischtes Offizierskasino ist unglaublich aufregend, es hat schon einen gewissen Reiz. Sein Dasein begründet sich anscheinend nurdarin, uns die größtmögliche Gelegenheit zu geben, das andere Geschlecht kennenzulernen. Der einzige Haken bei der Sache ist, daß man die ganze Zeit versuchen muß, so attraktiv wie möglich auszusehen. Ohne Schminke oder mit Wicklern im Haar kann man sich jetzt nicht mehr sehen lassen.
Abgesehen von den Schlafquartieren werden ein großer Eßsaal, ein Vorzimmer und die danebenliegende Bar geteilt. Diese ist voll mit kaputten, aber geilen Piloten, die entweder gesperrt sind oder zwischen zwei Einsätzen pausieren müssen.
Ich setzte mich mit meinem Drink in eine Ecke und sah mich um. Die eine Hälfte der Leute in der Bar schienen über den Angriff auf Dresden vor zwei Tagen zu sprechen. Anscheinend halten sie es für eine ›mächtig gute Show‹. Ich bin eher entsetzt bei dem Gedanken, daß so viele unschuldige Menschen dabei getötet worden sind. Ganz egal, was die Deutschen in London und Coventry getan haben. Aber so eine Meinung behält man hier lieber für sich; der Gedanke an Rache ist bei den meisten zu stark.
Birmingham Joseph Lewis *1907
Freitag. Heute war einer von den »schlechten« Tagen, an dem man morgens schon alles satt hat und am Ende immer noch. Aber ich denke mal, man kann nicht immer in bester Laune sein, so sehr man es auch versucht. An einem Tag kommen alle möglichen Umstände dazwischen, und die können aufbauen oder durcheinanderbringen.
Es war eine großartige Woche für die Royal Air Force, die Deutschland einige schreckliche Schlappen beigebrachthat; besonders Sachsen und in diesem Zusammenhang Dresden scheinen in einer Angelegenheit von fast 40 Stunden ganz ausgelöscht worden zu sein; weil es die Hauptstadt von Sachsen und im Augenblick von äußerster Wichtigkeit ist, müssen die Hunnen darüber ganz schön wütend sein.
Ich erfahre aus der Abendzeitung, daß wir keine Päckchen an Kriegsgefangene in Lagern in Polen und Ostdeutschland schicken sollen, bis wir neue Adressen erhalten. Ich habe einen Cousin im Stalag 344 bei Lamsdorf. Er ist dort jetzt über vier Jahre. Wir wissen nicht, ob dieses Lager schon von den Russen gestürmt wurde, wenn noch nicht, so liegt es doch direkt auf ihrem Weg. Vielleicht, obwohl die Deutschen ihre Gefangenen verlegt haben. Briefe kommen sehr unregelmäßig, und wir können nur abwarten und darauf vertrauen, daß alles in Ordnung ist. Aber es ist sehr beunruhigend gerade jetzt für uns alle, die wir liebe Angehörige in den Stalags haben, die nun im Kampfgebiet liegen.
Pacific Palisades Thomas Mann 1875–1955
Deutsche Hörer!
Die Kundgebung der drei Staatsmänner, die in Jalta konferierten, brachte so gar nichts Überraschendes, sie kündigte gegen das besiegte Hitler-Deutschland an Maßnahmen so gar nichts an, worauf nicht auch die deutsche Öffentlichkeit längst hatte gefaßt sein müssen, daß die Nazi-Propaganda ihre Lügen dick auftragen mußte, um aus dieser Äußerung einen Haßgesang, einen ›jüdischen Mordplan‹, oder wie die hysterischen Phrasen lauten, zu machen. Die Entwaffnung des Landesund die Auflösung des Generalstabes, die zonenweise Besetzung durch die Truppen der Siegermächte für geraume Zeit; die Einstellung oder Überwachung des Teiles der deutschen Industrie, die der Herstellung von Kriegsmaterial dienen könnte; die Sühnung und notdürftige Wiedergutmachung der schreiendsten, in diesem Krieg begangenen Nazi-Verbrechen und die vollständige Austilgung der nationalsozialistischen Partei in allen ihren Gesetzen und Einrichtungen, ihrem ganzen Einfluß auf das öffentliche Leben, – das sind die Selbstverständlichkeiten, die in Aussicht gestellt werden, und sie finden ihre Ergänzung und Erläuterung in den Worten: »Es ist nicht unsere Absicht, das deutsche Volk zu zerstören; aber nur wenn Nazismus und Militarismus vernichtet sind, wird man auf die Rückkehr der Deutschen zur Gesittung und auf einen Platz für sie in der Gemeinschaft der Völker hoffen können.«
Die Goebbels-Propaganda hat diesen bedingungsweise versöhnlichen und in die Zukunft weisenden Satz euch Deutschen
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