Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)
Sarrasani, der dort ein großes festes Gebäude besaß. Während der letzten Nummer des Programms – dem obligatorischen Eselreitenmit Clownerien – wurde über Lautsprecher Voralarm gegeben und das Publikum unter Scherzen der Clowns zum Aufsuchen der ausgebauten Keller des Zirkusgebäudes aufgefordert. Auf Grund meines Ausweises als Melder durfte ich das Gebäude noch verlassen. [...]
In jenem Moment fand ich die Illumination recht eindrucksvoll. Bevor ich unsere Wohnung erreichen konnte, fielen bereits die ersten Bombenreihen, und ich habe den ersten Luftangriff in einem fremden Keller miterleben müssen.
bei Bad Liebenwerda Gertrud Schmidt 1906–1998
Am 1 3.2. abends rief mich die Großmutter aus Dresden an, wir unterhielten uns eine Weile, und dann sagte sie: »Alarm – ich muß in den Keller«, und legte auf. Fichtners – bei denen sie angerufen hatte – und ich erzählten uns noch eine Weile etwas, dann ging Herr Fichtner noch einmal in den Stall, kam jedoch sofort wieder zurück und rief uns nach draußen. Dort bot sich uns ein Schauspiel, wie ich es in dieser makabren Schönheit nie wieder gesehen habe. So war der nachtschwarze Himmel in einem großen, großen Kreis von vielen, vielen Christbäumen erhellt. Wir gingen auf die Landstraße und sahen, wie buchstäblich Feuer vom Himmel geschüttet wurde. Herr Fichtner meinte, es sei auf Großenhain (ungefähr 30 km Luftlinie von uns entfernt).
Der Oberzahlmeister Gerhard Erich Bähr 1 894–1975
Gegen 1/2 10 Uhr kam im Radio die Meldung: »Feindiche Geschwader über Dessau«, so daß wir mit Voralarmrechneten. Wenige Minuten später kam aber schon gleich Hauptalarm. Hildegard und Ingelore gingen in den Keller und ich zog meine Uniform und die schweren Stiefel an und blieb wie immer am Radio. Auf einmal hieß es: »Feindliche Flieger 20 km vor der Stadt!« Ich stürzte sofort in den Keller. Als ich mit dem Stahlhelm kam, war Hildegard gleich sehr erschrocken. Und richtig, es ging auch gleich danach los. Einschlag über Einschlag. Immerhin fühlte man sich da unten einigermaßen sicher und konnte auch noch nicht feststellen, was nun geschah. Ein größerer Angriff mußte es jedenfalls sein.
Dresden Katharina Tietze
Wir hatten schon auf der Treppe viele Flugzeuge surren hören, und kaum saßen wir unten im Keller, hörte man auch schon in nächster Nähe Bomben fallen. Eine mag wohl in den Schornstein über uns gefallen sein, denn nach einigem Gepolter kamen mächtige Rußmassen aus dem kleinen eisernen Öfchen neben Vater geflogen, die er nicht zu knapp ins Gesicht bekam. Nun wurden die Bombenabwürfe immer schlimmer. Es prasselte und polterte unheimlich. In unserer Gegend fielen wohl fast nur Phosphorstabbomben, die dann überall wie gesät lagen. Natürlich fing es da schnell an zu brennen. Neugierige, die, solange es anging, immer mal zur Hoftür hinausguckten, brachten bald die Nachricht, daß die kleine Fabrik hinter unserm Hofe brenne. Bald faßte das Feuer auch den Stoß aus dem Boden entfernter Latten, die in unserm Hofe nahe der Parterrefenster von Zimmermanns auf gestapelt waren, wodurch es in der Wohnung auch zuerstbrannte. Bald hatten wir rechts, links, hinter uns und gegenüber auch brennende Häuser. Das Licht war natürlich gleich zu Anfang weg, und wir saßen bei der dicken Luftschutzkerze. Wie lange dieser erste Angriff dauerte, weiß ich nicht mehr, aber jedenfalls ging er mal zu Ende, und man wagte sogar zu hoffen, daß nun überhaupt Schluß für heute sei.
(Dresden) Victor Klemperer 1881–1960
Man hörte sehr bald das immer tiefere und lautere Summen nahender Geschwader, das Licht ging aus, ein Krachen in der Nähe... Pause des Atemholens, man kniete geduckt zwischen den Stühlen, aus einigen Gruppen Wimmern und Weinen – neues Herankommen, neue Beengung der Todesgefahr, neuer Einschlag. Ich weiß nicht, wie oft sich das wiederholte. Plötzlich sprang das dem Eingang gegenüber gelegene Kellerfenster der Rückwand auf, und draußen war es taghell. Jemand rief: »Brandbomben, wir müssen löschen!« Zwei Leute schafften auch die Spritze heran und arbeiteten hörbar. Es kamen neue Einschläge, aber vom Hofe her ereignete sich nichts. Und dann wurde es ruhiger, und dann kam Entwarnung. Zeitgefühl war mir verlorengegangen.
Dresden/Schweizerviertel Ernst Heinrich Prinz von Sachsen 1 896–1971
Plötzlich wurde der Himmel hell von den sogenannten »Christbäumen«, ein untrügliches Zeichen, daß der
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