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Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition)

Titel: Der rote Hahn: Dresden im Februar 1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Mittwoch, 14. Februar 1945
    ASCHERMITTWOCH
     
    Berlin/Reichskanzlei Dr. Theodor Morell 1886–1948
    Kein Eintrag
     
    Berlin/Propagandaministerium Dr. Rudolf Semler *1913
    Goebbels hatte eine dringende Unterredung mit Himmler, der an Mandelentzündung erkrankt in einem Sanatorium in Hohenlychen liegt. Auf dem Weg dorthin trafen wir – fünfzig Meilen nördlich von Berlin – endlose Kolonnen von Flüchtlingen aus dem Osten. Goebbels war von diesen Elendsbildern tief beeindruckt und niedergeschlagen: halbverhungerte Pferde zogen primitive Planwagen, mit Strohmatratzen, Stühlen und halberfrorenen Kindern darauf.
    Goebbels mag Himmler offensichtlich nicht, obwohl sie bei ihrer Tätigkeit miteinander auskommen. Goebbels, der im Grunde ein feinfühliger Mensch ist, kann »unästhetische Menschen« nicht ausstehen. Er zählt Himmler zu dieser Kategorie. Der asiatische Zuschnitt seiner Augen, seine kurzen, dicken Finger, seine schmutzigen Fingernägel, alles widerstrebt Goebbels. Aber Himmlers äußerst radikale Einstellungund der Einsatz seiner brutalen Methoden, sich durchzusetzen, machen ihn für Goebbels anziehend. Manchmal hält er das Oberhaupt der SS für einen Rivalen. Nach dem Abgang von Frick wäre Goebbels gern Innenminister geworden. Er sucht immer nach Möglichkeiten, seine persönliche Macht zu vergrößern und sein Betätigungsfeld zu erweitern. Er hätte gern die Stellung als Diktator an der Heimatfront gehabt, und diese Stellung wäre ihm sehr hilfreich gewesen im letzten Herbst bei den organisatorischen Maßnahmen für den totalen Krieg. Aber Himmler kam ihm zuvor, und seit der Zeit fühlte er stechende Eifersucht.
    Goebbels kritisiert den Führer sogar in privaten Konferenzen niemals verletzend; wenn er aber in kleinem Kreis über Himmler spricht, tut er das sehr vorsichtig. Außer Hitler gibt es niemanden, der nicht insgeheim Angst vor Himmler hat. Goebbels ist der Auffassung, daß Himmler die größte Machtorganisation aufgebaut hat, die man sich vorstellen kann; er ist aber der Meinung, daß es ein psychologischer Fehler war, der SS den ganzen Haß aufzuhalsen, der mit Polizeimethoden verbunden ist. Keiner möchte etwas mit der Polizei zu tun haben, und es überrascht daher nicht, daß die SS respektiert wird, aber nicht beliebt ist.
     
    Karl Dönitz 1891–1980
    Rundfunkansprache des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine an die Jugend 1 2’ 15
    Freut sich zur Jugend sprechen zu können, die Jugend ist lebensbejahend/ Ihr seid vom Schicksal in die größte Zeit unseres Volkes gestellt worden/ DasSchicksal stellt auch Forderungen an Euch/ Fanatische Hingabe, um Kenntnisse und Wissen zu erwerben/ Können als Grundlage des Erfolges, das gilt auch für den guten Soldaten/ Das Können muß fundiert sein/ Mit Leib und Seele dem Führer anhängen/ ›Komme, was kommen mag‹, Grundlage muß die bedingungslose Treue zum Führer sein/ Jede Lage kann durch eine »Standhaftigkeit des Herzens« verbessert werden/ Eine Lage ist nie hoffnungslos, eine Sache darf nie aufgegeben werden/ Im Kampf darf es keine Schwäche geben/ Die Kriegsmarine sucht junge Männer, die sich schon nach kurzer Ausbildung gegenüber dem Feind bewähren können/ Das Meer liebt den Kühnen
     
    Klosterbrück/Kreis Oppeln Aschermittwoch. Unser Volk singt Fastenlieder. Das Elend singen sich die Menschen von der Seele. Mädchen und Frauen streuen sich nicht nur Asche auf das Haupt, das Gesicht schmieren sie sich damit ein, um alt zu erscheinen und so sicher zu sein vor den Russen. Ein katholischer Geistlicher
    Kahlberg Sabine Hoth
    Am Abend waren wir in Kahlberg. Wir blieben unten am Meer stehen, wollten nachts am Strand weiterfahren. Viele Stunden war ich in dem überfüllten Ort unterwegs nach Brot und Pferdefutter. Ich bekam fast nichts. Kein Futter! Wir mussten weiter, weiter, nur von der Nehrung herunter, solange die Pferde noch ziehen konnten. Vater ging es schlecht. Und die Kraft unserer geliebten Mutter war zu Ende. Als wir um 1 1 Uhr nachts aufbrechen wollten, konnte sie keine Fahrt
    mehr aushalten. So schickten wir die Pferde mit den anderen Wagen voraus. Am nächsten Morgen sollten sie zurückkommen und uns nachholen. Wir blieben ganz allein. Es war eine eisige Nacht. Der Sturm wuchs. Und die Wellen stiegen höher. Würden sie bis zum Morgen unseren Wagen erreicht haben? Niemand würde uns helfen. Wir waren zu Tode erschöpft. Und wir alle wussten, daß Gott unser Liebstes auf Erden gerufen hatte.
    Am

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